Therapiegrundsätze für trans

Immer wieder wird die „hinterfragende und ergebnisoffene Psychotherapie“ im Zusammenhang mit trans Geschlechtlichkeit gefordert. [1] Solche Ideen stehen im Widerspruch zur geltenden Rechtslage, an die sich Psychotherapeut*innen halten müssen. Zu den Regelungen zählen die Berufsordnungen der Psychotherapeutenkammern [2] und die Psychotherapie-Richtlinie der gesetzlichen Krankenversicherung [3].

Aus den Erfahrungen der schrecklichen Verbrechen der Nazidiktatur gelten in unserem Land strenge Vorgaben, wenn auf das Denken und Fühlen von Menschen Einfluss genommen werden soll. Verpflichtende- oder Zwangstherapien sind aus guten Gründen stark eingeschränkt. Mit dem Subsidiaritätsprinzip sind diese Grundsätze in unser Staatsrecht eingeflossen.

Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten üben ihren Beruf in eigener Verantwortung nach ihrem Gewissen, den Geboten der psychotherapeutischen Berufsethik und der Menschlichkeit aus. Sie dürfen keine Grundsätze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten, die mit ihrer Aufgabe nicht vereinbar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten können. (BO § 2 Allgemeine berufliche Aufgaben und Pflichten, S. 2)

Ob eine Transsexualität (oder zukünftig eine Dysphorie) als behandlungswertige Krankheit vorliegt, ist innerhalb einer Sprechstunde am Anfang zu klären [4] und nicht „ergebnisoffen“ am Ende einer Therapie. Eine Mindestzahl von 12 Sitzungen ja 50 Minuten für die Erstellung einer Indikation ist unzulässig [5]. Statt dessen sind für Erwachsene 3 Stunden und für Kinder 5 Stunden Sprechstunde und für Erwachsene 4 Stunden und Kinder 6 Stunden Probatorik als Höchstgrenze festgelegt (PTR § 12 Probatorische Sitzungen, S. 11) .

Psychotherapie ist freiwillig
„Entscheidungen zu weiteren Behandlungen sollten nach entsprechender Information der Patientin oder des Patienten mit diesem gemeinsam getroffen werden.“ (PTR § 12 Probatorische Sitzungen, S. 11) und „Jede Behandlung bedarf der Einwilligung seitens der Patientin oder des Patienten.“ (BO § 4 Einwilligung, S. 3)

„Hinterfragungen“ gegen den Willen sind unzulässig
„2Nach diagnostischer Abklärung des Störungsbildes ist die Eignung der Behandlung in den verschiedenen Settings individuell zu prüfen und bei der Behandlungsplanung die Auswahl des geeigneten Behandlungssettings individuell und in Absprache mit der Patientin oder dem Patienten zu treffen.“ (PTR § 4 Übergreifende Merkmale von Psychotherapie, S. 6)

„Konversive“ Behandlungen sind unzulässig
„Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben die Würde, die Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen und Patienten zu wahren.“ (BO § 5 Behandlung von Patientinnen und Patienten, S. 3)

„Ergebnisoffene“ Behandlung steht gegen diagnostische Klärung und Aufklärungspflicht
„Nach ausreichender Kenntnis des Falles und sachgerechter diagnostischer Klärung haben die Psychotherapeutin und der Psychotherapeut gegenüber der Patientin oder dem Patienten die Pflicht zur Aufklärung über Indikation, Art der Behandlung und mögliche Behandlungsrisiken. Dies umfasst auch die Klärung der Rahmenbedingungen der psychotherapeutischen Behandlung, Sitzungsdauer und –frequenz, die voraussichtliche Dauer der Behandlung und Honorarregelungen. Ebenso beinhaltet die Aufklärungspflicht ggf. auch den Hinweis auf Behandlungsalternativen sowie auf weitere Hilfsangebote.“ (BO § 3 Aufklärung der Patientinnen und Patienten, S. 3)

Diagnose vor Therapie
„1Bei Verdacht auf eine seelische Krankheit findet im Rahmen der Sprechstunde nach § 11 eine Orientierende Diagnostische Abklärung (ODA) und, sofern erforderlich, eine Differenzialdiagnostische Abklärung (DDA) statt. 2Beide haben die Diagnostik vor Indikationsstellung für eine therapeutische Maßnahme zur Zielsetzung.“ (PTR § 10 Verbindung von Diagnostik und Therapie, S. 8)

Therapie kann nicht durch mds gefordert werden
1Die Feststellung der Leistungspflicht für Psychotherapie nach § 15 erfolgt durch die Krankenkasse auf Antrag der oder des Versicherten. (PTR § 34 Antragsverfahren, S. 26)

Selbst- und Fremdindikationen sind ausgeschlossen
2Zu diesem Antrag teilen die Therapeutinnen und Therapeuten vor der Behandlung der Krankenkasse die Diagnose mit, begründen die Indikation und beschreiben Art und Umfang der geplanten Therapie. (PTR § 34 Antragsverfahren, S. 26)

Therapie ist ausgeschlossen, wenn Ziele nicht erreichbar
“ Psychotherapie ist als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, wenn: 1. zwar (eine) seelische Krankheit vorliegt, aber ein Behandlungserfolg nicht erwartet werden kann, weil dafür bei der Patientin oder dem Patienten die Voraussetzung hinsichtlich der Motivationslage, der Motivierbarkeit oder der Umstellungsfähigkeit nicht gegeben sind, oder weil die Eigenart der neurotischen Persönlichkeitsstruktur (gegebenenfalls die Lebensumstände der Patientin oder des Patienten) dem Behandlungserfolg entgegensteht, “ (PTR § 27 Indikationen zur Anwendung von Psychotherapie, S. 21)

Anmerkungen

  1. Amelung, T. R. (2021). Nach Vorwürfen der Transfeindlichkeit gegen das LFT 2021: „Ich plädiere für mehr Gelassenheit“. „In solchen Fällen braucht es Leute und Therapeuten, die ergebnisoffen arbeiten können und bei Bedarf nachhaken, wo die eigentliche Ursache liegt.“ L.MAG
  2. PTR = Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie) (2021)
  3. BO = Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Hamburg (2012)
  4. PTR, S. 9: „Die Therapeutin oder der Therapeut nach Absatz 13 klärt im Rahmen der Sprechstunden auch, ob eine behandlungsbedürftige Erkrankung gemäß § 27 vorliegt.“
  5. PTR, S. 9: „1Die Sprechstunde kann als Einzelbehandlung bei Erwachsenen in Einheiten von mindestens 25 Minuten höchstens sechsmal je Krankheitsfall (insgesamt bis zu 150 Minuten) durchgeführt werden; bei Kindern und Jugendlichen als Einzelbehandlung in Einheiten von mindestens 25 Minuten höchstens zehnmal je Krankheitsfall (insgesamt bis zu 250 Minuten).“
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