Die Köhlbrandfähre stellte ihren Dienst mit der Eröffnung der Köhlbrandbrücke am 23.09.1974 ein. Am Sonntag, den 02.06.1974 haben wir uns den Neubau der Brücke angesehen und sind bei der Gelegenheit zum letzten Mal mit der Fähre gefahren. Für uns Kinder war das am Waltershofer Ufer vertäute Trajekt sehr beeindruckend und wir hofften immer, wir könnten noch einmal damit fahren.
Die Fährverbindung gab es schon seit 1912. Sie verband die Hafenstadtteile Waltershof und Neuhof miteinander. Damals war es notwendig, sowohl den Eisenbahn- als auch den Kraftwagenverkehr zwischen den 400 m entfernten Anlegestellen abzuwickeln. Da Hamburg einen Tidenhub von durchschnittlich 2,5 m hat, wurden zwei Fähren mit Hebedeck gebaut. Das Hauptdeck wurde an 8 Schraubenspindeln aufgehängt und ein aufwändiges Gittertragwerk gab den Fähren ein imposantes Aussehen.
Das Hebedeck war mit Doppelgleisen ausgerüstet und bot für sechs Güterwagen Platz. Diese Eisenbahnfähren wurden Trajektfähren genannt und hatten die prosaischen Namen Fährschiff I und II. Beide Fähren wurden von der Stettiner Vulcan Werft gebaut. Sie hatten zwei Dampfmaschinen mit je 640 PS. Die Steuerung der Maschinen erfolgte von der über dem Hebedeck gelegenen Kommandobrücke aus. Angeblich gab es ein drittes Schiff, das 1945 in Stettin zerstört wurde.
Die technischen Daten: Länge: 36 m, Breite: 15,50 m, Seitenhöhe 3,80 m, Tiefgang: 2,83 m, Tragfähigkeit: 180 t, Vermessung: 532 BRT. Die Geschwindigkeit betrug 7 Knoten in der Stunde.
Obwohl der Bau der Köhlbrandbrücke schon feststehen musste, wurden sie 1967 von Pohl & Jozwiak in Hamburg modernisiert. Dort wurde der Umbau auf Ölfeuerung vorgenommen und eine neue E-Anlage eingebaut. Mit Rückgang des Hafenbahnverkehrs zugunsten des Lastwagenverkehrs kamen die Trajekte immer seltener zum Einsatz und der Betrieb wurde 1972 eingestellt. Der Schienenverkehr wird seit 1973 über die Kattwyk-Brücke geleitet
An den beiden Ufern gab es 2 Fährnischen (Anleger), so dass bei starkem Verkehrsaufkommen gleichzeitig beide Fährschiffe fahren konnten. Die Landungsbrücken bestanden aus 15 m langen Fahrbahnklappen, die mit Handwinden bewegt wurden. Sie wurden durch Gegengewichte freischwebend gehalten, damit sie allen Bewegungen der Fährschiffe beim Übersetzen der Eisenbahnwagen folgen konnten. Später wurde meines Erachtens eine der Nischen für die beiden modernen Fähren umgebaut. Im Jahr 2015 wurden die gut erhaltenen Reste der Neuhof Fährnischen leider abgebrochen. Sie lagen an der Straße Köhlbranddeich im nördlichen Bereich, Anfahrt über Roßweg.
1956 und 1960 wurden die Trajekte durch zwei modernere Autofähren ergänzt. Sie hatten Namen und hießen J. F. Bubendey und die G. L. Wendemuth. Beide wurden mit 990 BRT auf der Norderwerft Köser & Meyer in Hamburg für Strom und Hafenbau erbaut. Die Bubendey 1955 mit der Baunummer 0817 und einer Tragfähigkeit von 280 t. Die Wendemuth wurde 1960 mit der Baunummer 0841 und einer Tragfähigkeit von 300 t erbaut. Sie fuhren um die 9 kn schnell. Sie wurden beide nach Kuwait verkauft und umbenannt in „Raffoudah“ und „Refedain“. Beide sind meines Wissens nach verschrottet.
Das Fährschiff I wurde am 11. März 1945 bei den Howalts-Werken in Hamburg mit dem Dock durch Bombentreffer versenkt und am 03. Mai 1947 wieder im Dienst gestellt. Noch am 12. Mai 1973 waren beide Trajekte bei einer historischen Dampflokveranstaltung im Einsatz.
Nach Auskunft von http://www.alt-wilhelmsburg.de/faehren.htm wurde das Trajekt am 21. März 1972 außer Dienst gestellt und später verkauft. Der Trajektaufbau, die Maschinen- und die Kesselanlage wurden demontiert. Der Schiffsrumpf wurde noch 1996 in Dänemark als Arbeitsponton genutzt.
Fährschiff II lag im Juni 1974 noch an der Waltershofer Uferseite vertäut. Die Fähre wurde umgebaut und ist heute als Hulk der Werkstatt – Lieger der HPA im Rugenberger Hafen. Der 2020 blau gestrichene Hulk liegt zwischen zwei Schuten an der Straße Rugenberger Damm und ist an der Rumpfform leidlich gut zu erkennen. Der Namenszug Fährschiff II war vor dem Neuanstrich noch jahrelang landseitig zu lesen. Da der Hulk eingezäunt im Hafen liegt, kommt man leider nicht nahe genug heran.
Es gibt dazu bei youtube einen kleinen Film.
Die Trajekte gab es 2008 als Kartonmodell zu kaufen: Köhlbrandfähre von WHV (1:250) Möwe-Verlag Wilhelmshaven.
Von Rodkling (Roland Klinger) gab es beide Trajekte auch, in zwei unterschiedlichen Varianten(!), als aufwendige 1:1250 Modelle zu kaufen.