Dazu auch Anti-trans Netzwerke
Die transfeindliche Agitation nahm Anfang der 20er Jahre immer mehr an Aggressivität zu. Mit dem englischen CASS-Review hat der pseudowissenschaftliche Diskurs gegen geschlechtliche Vielfalt eine neue Dimension erreicht (Cass, 2024) (Reed, 2024). Auf den „wissenschaftlichen“ Anschein wird viel Wert gelegt und mit Begriffen wie Evidenz, Empirie und „notwendiger“ Forschung inflationär um sich geworfen. Gezielt wird ein „besorgter, ausgewogener, abwägender“ Duktus gewählt, um das zutiefst transfeindliche Anliegen zu verschleiern (Brierley et al., 2024). Dabei wird es immer unübersichtlicher, welche Institutionen und „Fachgesellschaften“ ein transfeindliches Anliegen haben und deshalb mit Vorsicht zu genießen sind. Grundsätzlich sollten Äußerungen und Anliegen über Transgeschlecht von außerhalb der Community kritisch begegnet werden.
Wann ist jemand „transfeindlich“
Die hier aufgeführten Institutionen werden ausschließlich in ihrer öffentlichen Positionierung und ihren veröffentlichten Schriften gewürdigt und zitiert. Es werden nur cis Institutionen aufgeführt, die Debatten gegen uns als geschlechtliche Minderheit führen, die folgenden Kriterien entsprechen:
- stellt die Existenz von transgeschlechtlichen Menschen in Abrede (z.B. sind homosexuell)
- will die Existenz geschlechtlicher Vielfalt diskutierbar machen („Transdebatte“, „Transfrage“)
- benutzt verschwörungstheoretische Versatzstücke oder Talkingpoints wie „Transgenderideologie“, „Translobby“, „Transgenderismus“ und „Verstümmelung“
- behauptet, geschlechtliche Vielfalt wäre nicht biologisch
- behauptet, transgeschlechtliche Menschen wären psychisch krank oder Transgeschlechtlichkeit wäre eine Ursache davon
- stellt sich gegen Fachleitlinien für transgeschlechtliche Menschen, die mit Betroffenenorganisationen abgestimmt wurden
- fordert Sonderbehandlung transgeschlechtlicher Menschen in der Medizin, außerhalb berufsethischer Vorgaben
- fordert psychologische Zwangsbehandlungen
- fordert, der Schutz vor Konversionstherapien soll nicht für transgeschlechtliche Menschen gelten
- will die Behandlung transgeschlechtlicher Minderjähriger verhindern oder verzögern
- behautet, Geschlecht sei sozial ansteckend
- behauptet, es gäbe ROGD oder behauptet, es gäbe Autogynephilie
- fordert Zwangsforschung an transgeschlechtlichen Menschen
- spielt Frauenrechte gegen trans Menschen aus
- behauptet, dass trans Zahlen ungewöhnlich steigen würden und davon Mädchen betroffen seien
- diffamiert Selbsthilfe- und Betroffenenverbände
Psychoanalyse
Immer wieder fallen transfeindliche Äußerungen gegen das Selbstbestimmungsgesetz und die S2k Leitlinie aus dem psychoanalytischen Denkumfeld auf. Warum ist das so? Da lohnt ein Blick auf die psychoanalytischen Erklärmodelle zur Transgeschlechtlichkeit.
Die klassische Psychoanalyse betrachtet Transgeschlechtlichkeit als narzisstische Störung (Argentieri, 2020) . Die transgeschlechtliche Fantasie beruhe auf der Verleugnung der biologischen Geschlechtsrealität, als Quelle des Selbstwertgefühls und als eine Möglichkeit das Selbst zusammenzuhalten (Chiland, 2000). Transgeschlechtlichkeit sei eine psychopathologische Manifestation. Ein Symptom eines tiefer liegenden Problems, das auf einen frühes Trauma zurückzuführen sei (Evans & Evans, 2021).
Geschlechtsanpassungswünsche hätten hauptsächlich biologisch weibliche Jugendliche, die damit eine Abwehr gegen die eigenen lesbischen Wünsche oder Widerstand gegen eine mit emotionaler Abhängigkeit assoziierte Weiblichkeit realisierten, bei gleichzeitiger Idealisierung eines gesellschaftlich geprägten Wahnbildes des autonomen Mannes (Bell, 2023). Ihr Transitionswunsch wäre ein Ausdruck anderer psychischer Probleme wie früher Beziehungsstörungen, Autismus, Ängste, Depressionen, Selbstdruck und Destruktivität, die sich dahinter verbergen (Dammasch, 2024).
Eine weitere Sichtweise geht davon aus, dass Transgeschlechtlichkeit eine besondere Form der sexuellen Perversion ist, deren primäres Ziel darin besteht, eine mögliche Kastration zu verleugnen (Mehler, 2020). Diese Form der psychischen Abwehr wäre gegen eine psychotische Desintegration zu verstehen (Millot, 1990).
Transition werden in diesem Kontext als Form des Agierens des eigentlichen, inneren Konfliktes verstanden, der auf der psychischen Ebene behandelt werden müsste (Quinodoz, 1998). Das Akzeptieren einer Transition wäre Abwehr von Spaltung, Verleugnung, Ausschluss, Verweigerung und sogar Verdrängung. Transition wäre das Ignorieren der Anzeichen, wie trans Menschen mit ihrer inneren Welt kämpfen (Giffney & Watson, 2017). Deshalb wäre eine analytische Psychotherapie ausgeschlossen, sobald eine körperliche Tradition eingeleitet wurde (Chiland, 2000).
Zu den aktiven Personen der Szene gehören die Wiener Psychoanalytikerin Dr. Bettina Reiter, Fachärztin für Psychiatrie, die sich vielfach öffentlich positioniert und aktiv auf der Plattform X ist (Reiter, 2009) . Sie ist gegen ein Verbot von Konversionstherapien und verfasste ein verschwörungstheoretisches „Dossier Geschlechtsdysphorie im Jugendalter“ und veröffentlichte es auf der transfeindlichen Plattform „Europäische Gesellschaft für Geschlechtergerechtigkeit“ (Reiter, 2023) (Reiter, 2024).
In diesem „Dossier“ stehen abwertende Sätze über Behandler*innen wie diese: „Die „[WPATH] Files“ zeigen ein erschreckendes Bild von ÄrztInnen und AktivistInnen, die so gut wie alle Safeguarding-Maßstäbe außer Acht lassen und – im Wissen um irreversible Effekte (Infertilität und Anorgasmie), lebensgefährliche Nebenwirkungen (Leberkrebs unter Testosteron) und auch bei schwer psychiatrisch erkrankten Jugendlichen das Programm der GAC („Gender Affirming Care“) durchziehen.“ oder „Die selbstverständliche Übernahme der Idee des falschen Geschlechts durch LehrerInnen, ÄrztInnen, Familie, Freunde kann nicht ausschließlich als neutrale, freundliche Haltung interpretiert werden.“
In Sachen Transfeindlichkeit generieren Bernd Ahrbeck, Erziehungswissenschaftler und Professor für Psychoanalytische Pädagogik, und Marion Felder, Erziehungswissenschaftlerin und Professorin für Inklusion und Rehabilitation schon seit Jahren bundesweite Aufmerksamkeit (Kaufhold, 2020). So verbreiteten sie in der FAZ Verschwörungstheorie in Reinform: „Ihre Lobbygruppen [Translobby] sind inzwischen äußerst einflussreich.“ oder „Heterosexualität und die klassische Familie werden inzwischen in eine Randposition gedrängt. Sie gelten fast schon als etwas Exotisches.“ (Ahrbeck & Felder, 2020).
The European Academy of Paediatrics (EAP)
Der Europäische Verband der Kinderärzte (The European Academy of Paediatrics (EAP)) liefert ein Lehrstück zu „Tarnen und Täuschen“ in Bezug auf Transfeindlichkeit (Brierley et al., 2024). Was auf den ersten Blick wie eine vernünftige und ausgewogene Postion daherkommt, transportiert die Abkehr von Menschenrechten und grundlegenden ethischen Prinzipien, wenn es um trans Kinder geht.
Die dgti tritt diese Art von versteckter Pathologisierung, die ausschließlich von Nicht-Betroffenen Organisationen verfolgt wird, deutlich entgegen (EUPHA-SGMH & Star, 2023). Wir empfehlen Betroffenen, keine Ärzte um Hilfe zu ersuchen, die der European Academy of Paediatrics nahe stehen.
Ausgewählte transfeindliche Narrative im Text, Übersetzungen durch dgti:
Die EAP tritt für unzulässige Altersgrenzen in der Behandlung von Kindern ein (Deutscher Ethikrat, 2020):
„Given that later arguments will support the child’s right to an open future, our view as paediatricians is that it is correct to defer irreversible surgery until adulthood.“
„Da spätere Argumente das Recht des Kindes auf eine offene Zukunft untermauern werden, sind wir als Kinderärzte der Ansicht, dass es richtig ist, irreversible chirurgische Eingriffe bis zum Erwachsenenalter aufzuschieben.“
Die EAP tritt offen für konversive und verzögernde Therapieansätze ein:
„Applying libertarian principles, including that of subsidiarity, would support a permissive gender-affirmative approach. However, EAP supports a more balanced approach, focussed on interventions that least restrict the transgender child’s future options whilst trying to prevent significant or serious harm.“
„Die Anwendung libertärer Prinzipien, einschließlich des Subsidiaritätsprinzips, würde einen freizügigen, geschlechtsbejahenden Ansatz unterstützen. EAP unterstützt jedoch einen ausgewogeneren Ansatz, der sich auf Interventionen konzentriert, die die Zukunftsoptionen des Transgender-Kindes am wenigsten einschränken und gleichzeitig versuchen, erheblichen oder ernsthaften Schaden zu verhindern.“
Die EAP propagiert Verschwörungstheorien (Ashley, 2018):
„Indeed, the role of social media in not just ROGD but more broadly in GD and perhaps separately in the increase in childhood mental health problems is overdue serious academic exploration.“
„Tatsächlich ist es längst überfällig, die Rolle von sozialen Medien nicht nur bei ROGD, sondern allgemeiner bei GD und vielleicht auch separat bei der Zunahme psychischer Probleme im Kindesalter ernsthaft wissenschaftlich zu untersuchen.“
Menschenrechte sollen für Kinder nicht gelten, wenn sie trans sind (Wilken, 2024):
„Problems remain in deciding whether children can plausibly claim liberty rights, especially in a request for invasive, non-reversible treatment, where the child’s right to protection from the harms of invasive, irreversible gender-affirming treatment must be carefully considered.“
„Es bleibt weiterhin problematisch zu entscheiden, ob Kinder glaubhaft Freiheitsrechte geltend machen können, insbesondere bei einem Antrag auf eine invasive, irreversible Behandlung, bei dem das Recht des Kindes auf Schutz vor den Schäden einer invasiven, irreversiblen geschlechtsangleichenden Behandlung sorgfältig abgewogen werden muss.“
Die EAP benutzt eine simplifizierende Kategorisierung vom „biologischen“ Geschlecht (Subramaniapillai et al., 2024):
„We suggest that a flexible, consensus-building, rights-based approach, supported by a robust understanding of the relationship between biological sex and gender, is in children’s best interests and supports their right to an open future.“
„Wir sind der Meinung, dass ein flexibler, konsensbildender, auf Rechten basierender Ansatz, der durch ein solides Verständnis der Beziehung zwischen biologischem Geschlecht und Gender unterstützt wird, im besten Interesse der Kinder ist und ihr Recht auf eine offene Zukunft unterstützt.“
Literatur