Kleine Geschlechterkunde

Meine #kleineGeschlechterkunde aus #trans Perspektive ist der Versuch, das Thema geschlechtliche Vielfalt in kurzen Aufsätzen zusammenzufassen.

Vielfalt

Das System der Zweigeschlechtlichkeit wird permanent erzeugt, festgeschrieben und materialisiert. Zweigeschlechtlichkeit ist ein gewaltförmiger Prozess, der „anders sein“ als konstitutives Außen, als Bedingung für die Herstellung eigener Einheit produziert.

Definitionen von „Geschlecht“ sind ein Instrument patriarchaler Macht. Geschlechtliche Eigenschaften sind Klischees, die je nach Region, Kultur und Jahrhundert anders gedeutet und gelebt werden. Männlichkeit und Weiblichkeit sind soziale Konstrukte, die trotzdem Realität gestalten.

Aus der Kultur in Bezug auf Geschlechterrollen resultieren gewaltvolle Ausbeutungsverhältnissen. Es bedarf der Dekonstruktion klassischer Rollenbilder, einer „subversiven Performanz“.

Trans sein greift die Konstruktionen von Geschlecht auf und bringt sie bisweilen zum Ausdruck. Es ist im Kern eine radikale und anarchische Bekenntnis zum eigenen, individuellen Geschlecht.

Geschlechtlicher Raum

Das Model der Selbstwahrnehmung „intrinsic inclination model“ nach Julia Serano:

1. Geschlecht, Ausdruck und sexuelle Orientierung sind unabhängig voneinander.
2. Geschlecht ist ein tiefer, unbewussten Seinszustand, der durch soziale oder individuelle Einflüsse nicht veränderbar ist.
3. Fünf Faktoren beeinflussen das Geschlecht durch gemeinsame Existenz oder durch Interaktion. Als Ergebnis entsteht ein geschlechtlicher Raum, der sich nicht einteilen lässt.
4. Die Selbstwahrnehmung steht über der, durch die körperlichen Unterschiede entwickelten, groben Binarität.

Die 5 Faktoren nach Serano:
„Geschlecht ist ein mehrdimensionaler Raum, deren Dimensionen wir heute noch nicht alle kennen. Wir wissen, das genetische, anatomische, hormonelle, Umwelt und psychologische Faktoren das Geschlecht beeinflussen und zwar durch gemeinsame Existenz oder durch Interaktion.“

Frau Serano möge nachsichtig mit mir sein, es folgt meine Interpretation:

Der mehrdimensionale geschlechtliche Raum
wird durch 9 Faktoren determiniert:

1. Genetisches Geschlecht
2. Chromosomales Geschlecht
3. Hormonelles Geschlecht
4. Zelluläres Geschlecht
5. Körperliches Geschlecht
6. Umweltfaktoren
7. psychische Faktoren
8. kulturelle Faktoren
9. unbekannte Faktoren

beeinflussen das Geschlecht durch gemeinsame Existenz oder durch Interaktion. Als Ergebnis entsteht ein geschlechtlicher Raum, der sich nicht einteilen lässt.

Jedes Individuum hat ein eigenes Geschlecht!

Regulationen

„Die neuen Erkenntnisse zeugen von komplizierten Abläufen in der Geschlechtsentwicklung, bei der zwei unterschiedliche genetische Regulationsnetze im Wettstreit miteinander stehen. Die Veränderung der Aktivität oder der Menge an Molekülen wie WNT-4 kann die Balance ins Kippen bringen und zu einem Geschlecht führen, das allein die Chromosomen so nicht vermuten lassen.“

„Neue Techniken der DNA Sequenzierung und Zellbiologie machten deutlich, dass fast jeder von uns zu einem gewissen Grad aus verschiedenen Zellen besteht, gleichsam wie ein Patchwork. Dabei haben manche unserer Zellen ein Geschlecht, das zum Rest des Körpers eigentlich nicht passt.„

Hab ich mal erwähnt, dass ich Claire Ainsworth Artikel über die Komplexität von Geschlecht sehr mag?

https://www.spektrum.de/news/die-neudefinition-des-geschlechts/1335086?fbclid=IwAR0xWrTIOhVsX8KbBTxtmTmZr0PVdhxEhvz1sEucai4mQzvXapGQFb2OR_c

Identität

Die Grundlage für die binären Setzungen der mds-Richtlinie in zwei Geschlechter ist das „Identitätsmodell“ des Geschlechts. Der Identitätsansatz trennt zwischen körperlichem Geschlecht (sex) und psychosozialem Geschlecht (gender) und führt direkt zur weit verbreiteten Idee von einem „Geschlechtswechsel“ im Zusammenhang mit trans.

Die „Geschlechtsidentität“ ist das subjektive Gefühl eines Menschen, sich weiblich, männlich oder anders zu erleben. Sie entsteht als viele Jahre andauernder Entwicklungsprozess, bis über die Pubertät hinaus. Die „Identität“ wird abgegrenzt von der „Geschlechtsrolle“. Das ist die Gesamtheit der kulturell erwarteten, als angemessen betrachteten und zugeschriebenen Fähigkeiten, Interessen, Einstellungen und Verhaltensweisen.

Es gibt 4 Ebenen der Geschlechtsentwicklung: psychisches Geschlecht (gender identity), soziales Geschlecht (role), körperliches Geschlecht (sex) und den kulturellen Kontext.

Die psychosoziale Geschlechtsentwicklung wird gekennzeichnet durch:
1. Geschlechtsidentität (gender identity)
2. Geschlechtsrolle (gender role)
3. Sexuelle Orientierung (sexual orientation)
die zusammen als psychosexuelle Trias bezeichnet werden.

Der Identitätsansatz bestimmt den fachlichen Umgang mit trans Geschlechtlichkeit und beeinflusst die sich darauf stützenden Behandlungsansätze und den Begutachtungsprozess. Er determiniert Erwartungen bei Behandler_innen und Begutachteten an Lebensläufe, Indikationskriterien, Rollenerwartungen, Sexualität, Passing und viele weitere Faktoren, die mit „richtig“ und „falsch“ gelabelt werden. Es gibt einen bewussten und unbewussten Druck, dem binären System zu entsprechen, obwohl das möglicherweise gar nicht passend ist.

Die Genderbread Person visualisiert den Identitätsansatz und dessen binäre Implikationen:
https://www.genderbread.org/resource/genderbread-person-v4-0
und in einer genauso identitätsbezogenen aber besseren Version in Form des Gender Unicorn:
https://transstudent.org/gender/

Gehirn

Der Identitätsansatz war wiederholt Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, um physiologische Nachweise zu finden. Alle Versuche dem menschlichen Gehirn ein „Geschlecht“ nachzuweisen, gelten, bis auf unwesentliche anatomische Differenzen, als widerlegt. Dennoch ist die Idee vom Geschlecht, das zwischen den Ohren säße, ein nicht nur in der trans Szene verbreitetes Motiv.

Der Verein trans-evidence spricht von einer „Neurointersexuellen Körperdiskrepanz (NIBD)“, bei der das Nervensystem als relevantes Geschlechtsorgan betrachtet wird. Transsexuelle Menschen besitzen eine tiefe innere Gewissheit, zu welchem Geschlecht sie wirklich gehören. Das explizite Bedürfnis nach Angleichung der Lebensweise und des Körpers an das eigentliche „neurogene Geschlecht“ wird als wissenschaftlich adäquat betrachtet. Eine „trans-evidence Working Group“ genannte Gruppe Betroffener hat zur weiteren Erforschung eine „evidenzbasierte Medizin“ in den Fokus ihrer Arbeit gestellt.

Das „Neurogenitale-Syndrom (NGS)“ der Vereinigung-TransSexuelle-Menschen e.V. (VTSM) erklärt trans durch natürlich vorhandene Wissenshintergründe über das eigene „biologisch-neuronale Geschlechtswesen“. Dies stände in Abgrenzung zu den Geschlechtsrollen, die gesellschaftlichem Einfluss zugänglich sind. Es gäbe ein „Gehirngeschlecht“, welches nicht dem Geschlecht des anatomischem Körper entspricht. Ein fest verschaltetes Körperbild im neuronalem Netz wolle den passenden „Geschlechtskörper“. Nur Menschen post Genitalangleichung wären nach dieser Fantasie vollwertige Frauen bzw. Männer. Es würde kein Geschlecht umgewandelt, es würde nur der fehlerhafte Körper korrigiert.

Feminismus

Die Frauenbewegung wird historisch in vier „Wellen“ beschrieben.
1. Welle 1850 – 1920 (Clara Zetkin)
2. Welle 1968 – 1989 (Autonome Frauenbew., Radikalfeminismus)
3. Welle 1992 (Netzfeminismus)
4. Welle 2007 (intersektional, inklusiv)

TERFs gehören der 2. Welle an und negieren ihre historischen Bezüge, wenn sie die 4. Welle für sich beanspruchen. Wir sprechen heute vom dekonstruktivistischen Feminismus oder Postfeminismus. Das biologische (sex) und soziale Geschlecht (gender) sind gesellschaftliche Konstrukte. Die daraus abgeleiteten Geschlechtsidentitäten sollen aufgelöst, dekonstruiert werden, denn Geschlecht ist individuell.

Zwei Begriffe tauchen in den Diskussionen immer wieder auf:

1. Essentialismus: Gruppen werden durch Eigenschaften bestimmt und ein Mensch wird zum Teil dieser Gruppe, wenn er diese Eigenschaften hat. Mann und Frau bestehen aus der Essenz des Männlichen oder Weiblichen. Deshalb gibt es eine „Materialität“ in Form (binärer) Geschlechter.
Im Feminismus gibt es Strömungen, die Geschlechtseigenschaften als essentiell ablehnen und nur die Essenz des Menschen postulieren, weshalb wir alle gleich(wertig) sind.

2. Konstruktivismus: (natur)wissenschaftliche Erkenntnisse entstehen in einem gesellschaftlichen Kontext und bilden diesen ab, sie sind hergestellt. Auch materielle Körper erlangen ihre Bedeutung in gesellschaftlichen Zusammenhängen. Geschlechtliche Kategorisierung ist gesellschaftliche Praxis und konstruiert. Das (binäre) Geschlecht wird durch die Kultur unseres Zusammenlebens gestaltet.

Gesschlechtereigenschaften sind Klischees, die je nach Region, Kultur und Jahrhundert anders waren und sind. Die Konstruktion von Geschlecht ist mit Machtbeziehungen und Wahrheitspolitiken verbunden. Die Definition von Geschlechts ist ein Instrument patriarchaler Macht und die binären Polarisierungen sind gewollt. Dies sichtbar zu machen, führt zwangsläufig zu Zumutungen und zum Schmerz des anders seins.

In der patriarchalen Machtausübung ist Frau keine Selbstdefinition, sondern zugewiesen, verbunden mit weniger Macht und geringerer Kompetenz. Das Patriarchat weist Menschen, die geschlechtliche Vielfalt leben, nicht den Männern zu, denn sie müssen oder mussten Weiblichkeit leben. Sie sind damit alle patriarchaler Machtstrukturen ausgesetzt. Die Abwertung oder Exklusion genderdiverser Menschen wertet Weiblichkeit ab und damit faktisch grundsätzlich alle Frauen.

trans Feminismus

Die Zuweisung, was eine Frau sei, schafft schmerzhafte und gewaltvolle Implikationen, wie die Gleichsetzung von Frau sein und schwanger werden (können). Die dafür benutzten körperlichen Merkmale, häufig einhergehend mit einem simplifizierenden Biologismus, definieren eine Leistungsfähigkeit der Frau als Ideal eines (radikalen) Feminismus. Die Kategorie Frau wird zu etwas monolithisch Benennbarem.

Trans sein ist die körperliche Erfahrung, etwas nicht zu haben und zu können. Trans ist eine Irritation, die bei allen, die damit umgehen müssen, häufig zu Ablehnungen und Abwehr führt. Das ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal von trans. Radfems machen sich diese Irritationen zu eigen. Das dokumentieren sie durch ihre öffentlichen Beiträge, wenn sie Bilder von trans Körpern ableistisch wertend kommentieren. Sie verengen die Definition Frau auf „wahre“ (cis) Frauen.

Damit treffen sie den Kern der Ideologie mancher trans Frauen, die den eigenen Irritationen entfliehen wollen und sich auf der Suche nach den „echten“ Frauen anschließen. Sie ordnen ihr trans sein der gesellschaftlichen Erwartungslogik von Eindeutigkeit unter. Alles muss verstehbar sein und in binären Kategorien einsortiert werden: weiblich, männlich und dann eben trans. Der operierte Körper, der einen „penisfreien“ Raum garantiert, wird zur geduldeten Kategorie, die das frau sein eben noch berührt aber nie erreichen kann. Diese trans Frauen sind aus Sicht der Radfems keine „echten“ Frauen. Als Kronzeuginnen sind sie akzeptiert, als zu „Frauen“ konstruierte Männer.

Die Diskussion um eine Definition folgt einer gesellschaftlichen Entwicklung, die die Möglichkeiten Frau zu sein enger macht, Pinkifizierung wäre ein Stichwort. So treffen trans gesperrte Frauenräume zuerst die nicht binär konformen Frauen und in der Folge alle Frauen. Sie müssen sich mühen, möglichst raumkonforme Rollenbilder zu generieren und zu replizieren. Für Butches und gender nonkonforme Frauen ist in der Welt der anti trans Gesetzgebung kein Platz. Butches definieren sich, in der Welt der Radfems, heute ohnehin eher als trans oder nicht binär. Sie treten einfach aus dem Frau sein aus und üben damit Verrat am Frau sein. Eine ganz neue Generation von Mädchen hat angeblich das trans sein als Ausweg für sich entdeckt, da sie keine Diskriminierungserfahrungen als Frauen machen wollen. Nichts von dem stimmt, trotzdem bleibt auf allen Seiten Trauer, Verrat und Schuldzuweisungen.

Die Perspektiven von Mädchen erleben viele Widerstände. Wenn jungen Menschen bis zum 25 Lebensjahr an der Transition gehindert werden sollen, werden sie zwangsweise in die cissexistische Normierung gezwungen. Das ist eine Gewalt, die gegen (in der Logik der Radfems) Mädchen und ihr körperliches Selbstbestimmungsrecht vollzogen werden soll. Menstruation und Schwanger ist nicht dasselbe wie Mädchen sein. Es ist zu respektieren, wenn sie ihre Selbstbezeichnungen als Frau oder in anderen Geschlechtlichkeiten finden. Und sie verlieren als trans Männer nicht das Recht auf Solidarität, weil sie denselben Verletzungen durch patriarchale Gewalt ausgesetzt waren. Alle die Weiblichkeit gelebt haben oder leben sind von dieser Gewalt betroffen.

Trans benötigt cis als Begriff untereinander und wenn über Sexismus geredet werden muss. Sexismus benennt die Hierarchie (Herrschaft, Macht und binäre Geschlechtlichkeit) zwischen Männern und Frauen. Cis Frauen sind diskriminiert und trans Menschen werden den privilegierten Männern zugerechnet. Der Cissexismus benennt die Hierarchie (Geschlecht binär) zwischen cis und trans Frauen. Cis Frauen sind privilegiert, weil sie in ihrem Geschlecht als (biologisch) existent gelten. Trans wäre eine identitäre Illusion und nicht existent.

Der aktuelle Diskurs im trans Spektrum trennt das Körpergeschlecht nicht mehr vom geschlechtlichen Selbstverständnis. Damit schwindet der Druck zur körperlichen Transition. Trans ist keine Selbstdefinition oder ein Geschlechtswechsel, eine Migration. Trans ist das Wahrnehmen und Akzeptieren einer divergenten Geschlechtlichkeit als Teil einer körperlichen Realität. Trans Körper und der geschlechtliche Ausdruck können sich heute deutlicher aus den normativem Vorstellungen von Geschlecht heraus bewegen. Dieses intelligible Geschlechterverständnis ist das Schreckgespenst der Diskussion um das Selbstbestimmungsgesetz.

Die Verfielfältigung von Geschlechtern und deren Verhältnissen zueinander, kann ein Gewinn für Frauen sein, weil es mehr (Über)Lebensoptionen bringt. Es ist ein legitimes Ziel, den geschlechtlichen Raum zu ergründen und dessen Diversität und vielfältigen Optionen lebbar zu machen.
Wir können den Streit nicht vermeiden und den safe space zur Verletztlichkeitsabwehr gibt es nicht. In den Konsequenzen patriarchaler Gewalt zu streiten macht unsouverän. Menschen können kämpfen, wenn sie nicht direkt betroffen sind. Deshalb bedarf es ein Mindestmaß an Akzeptanz für trans, um das Thema besprechbar zu machen.
Wenn wir Aktivismus nachhaltig machen möchten, müssen wir unaufgeregt um Solidarität ringen.

Das Wollknäuel besprechbar machen

Radikalfeminismus

Der Radikalfeminismus ist eine strukturorientierte Gesellschaftsanalyse auf historisch-materialistischer Basis. Zweck dieser Analyse ist radikale Patriarchatskritik, aus der politisches Handeln entstehen soll. Der strukturorientierte Feminismus der 1970er und 80er Jahre ist eine Analyse der Herrschaftsverhältnisse im Zusammenhang von Kapitalismus und Patriarchat. Der Radikalfeminismus entstand aus dieser zweiten Welle des Feminismus. Historischer Materialismus ist die theoretische Erklärung von Gesellschaft und ihrer Geschichte nach Marx und Engels, Materialismus: „Glaube nur, was Du siehst, was Du erkennst und was Du verstehst“.

Mädchen und Frauen sind weltweit aufgrund ihrer Geschlechtsorgane von sexueller Gewalt betroffen. Diese Gewalt wird überwiegend von Männern ausgeübt. Die Herrschaft der Männer wird durch Macht über weibliche Körper durchgesetzt. Patriarchale Unterdrückungsmechanismen sind gekoppelt an Geschlechtsorgane, damit an die Biologie von Menschen.

Das Patriarchat hat über die Biologie des Körpers hinaus, zum Zwecke der Machtausübung, ein Interesse daran, zu bestimmen was Geschlecht ist. Deshalb weist das Patriarchat Geschlechterrollen und Stereotypen zu. Gefühle, Hobbys und Vorlieben sind patriarchal konstruiert. Kinder werden von der Geburt an mit patriarchalen und damit sexistischen Denkmustern sozialisiert. Diese Diskriminierung ist ein toxisches und wirkmächtiges Konstrukt, das Frauen in die Machtstrukturen des Patriarchats zwingt. Es sei deshalb ein sehr signifikanter Unterschied, ob jemand männlich oder weiblich sozialisiert wurde.

Geschlecht ist aus radikalfeministischer Sicht an die Biologie der Geschlechtsorgane, an die Sozialisation und an kulturelle Konstruktionen gekoppelt. Geschlecht habe keinen zugrundeliegenden und unveränderbaren Kern, es sei deshalb nicht essenziell.

Die Kritik an Transsexualität ist vor allem eine Kritik am vorherrschenden Identitätsmodell. Nach diesem Modell weicht ein „Identitätsgeschlecht“ von dem „biologischen“ Geschlecht des Körpers ab. Das Identitätsgeschlecht entwickelt sich im Laufe des Lebens und ist unveränderbar.

Da aus radikalfeministischer Sicht Geschlecht ein patriarchales Machtinstrument ist, werden patriarchale gesellschaftliche Konzepte, Stereotypen und Geschlechterrollen zu einer „Geschlechtsidentität“ gemacht. Damit erfolge eine Festschreibung des gesamten toxischen Gender-Systems. Transsexualität könne es nur wegen der patriarchal konstruierten Geschlechtunterscheidung geben und deshalb gäbe es sie eigentlich nicht. Nicht „der Körper“ sei das Problem, sondern die Gesellschaft um diesen Körper herum. Deswegen lehnen Radikalfeministinnen Hormongabe und Operationen ab.

Trans Exclusionary Radical Feminists (TERF)

Das Akronym „TERF“ entstand 2008 in dem Blog „finallyfeminism101“, die Urheberin ist die cis Feministin Viv Smyth, bekannt als „tigtog“. Sie benannte damit Frauen, die sich durch Transfeindlichkeit, Cis-Sexismus, Pseudo-Biologismus, Transmisogynie und Feindseligkeit gegenüber dem Feminismus der 3. und 4. Welle auszeichnen.

Cis und trans entstammen dem „Lexikon des gesamten Sexuallebens“ von Dr. Ernst Burchard aus dem Jahr 1914. „Trans“ ist ein lateinisches Präfix, das „durch, über, hinüber, jenseits, auf die andere Seite“ bedeutet. „Cis“ bedeutet „diesseits“. Im heutigen Feminismus wird cis benutzt, weil sich nach der poststrukturalistischen Theorie Normen schlecht in Frage stellen lassen, wenn man sie nicht benennt.

TERF als Akronym wird bis heute im abwertenden Kontext für transfeindlich aktivistische Frauen verwendet. Sie zählen sich selber zum Radikalfeminismus. Ob sie überhaupt Feministinnen sind, ist umstritten, da sie sich im rechts-konservativen politischen Spektrum bewegen und dort Bündnisse suchen.

Es gehört zu den zahlreichen Absurditäten dieser Ideologie, dass es Männer gibt, die sich als TERFs identifizieren und in der Szene geduldet, bisweilen goutiert werden. Es gibt auch transgeschlechtliche Menschen, für die es als höchste Anerkennung gilt, dort Akzeptanz zu bekommen und die sich bei TERFs und den sie unterstützenden Medien anbiedern, teils aus Überzeugung. Besonders beliebt sind detrans Personen, die Schuldige für ihre Situation suchen. Sie werden, auch von TERFs, Truscum genannt (true transsexual scum, echter transsexueller Abschaum).

TERFs benutzen sich wiederholende Gedankenketten. Sie verknüpfen Genitalien, Körperabwertungen, sexuelle Perversionen, Kinder, Kriminalität, biologische und psychologische Versatzstücke in Variationen miteinander. Es sind spezifische und skurrile Gedankenkonstrukte.

1979 schrieb die US Amerikanerin Janice Raymond sogar ein Buch über ein nur von ihr erkanntes „transsexuelles Imperium“, das von TERFs als Grundlagenwerk verwendet wird. Sie haben Mühe, (trans) Geschlechter auseinander zu halten und verwechseln gerne trans Männer und Frauen. Trans Männer nehmen sie nicht wahr, sie zählen zu den Frauen und so wären trans Frauen „male-to-constructed-females“ („Männer-zu-Frauen-konstruiert“).

Das Patriarchat zwänge Männer sich zu Frauen konstruieren zu lassen (umzuwandeln), um mittels dieser Strategie alle Frauen auszulöschen. Es gäbe einen „patriarchalen Mythos“ der „männlichen Mutterschaft“ und darauf, „Frauen nach dem Abbild des Mannes zu schaffen“ um „feministische Identifikation, Kultur, Politik und Sexualität zu kolonisieren“. Transsexualität verstärke traditionelle Geschlechterstereotype, weil mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen stereotype Weiblichkeit angestrebt würde. „Alle Transsexuellen vergewaltigen Frauenkörper, indem sie die echte weibliche Form auf ein Artefakt reduzieren und sich diesen Körper für sich selbst aneignen. Transsexuelle lassen nur die offensichtlichsten Mittel der Invasion in Frauen weg, so dass sie nicht-invasiv erscheinen.“ Sie wären demnach eine „Täuschung“, um Frauenräume zu „penetrieren“.

Es gäbe ganz besonders gefährliche Exemplare dieser umgewandelten Männer, genannt „transsexuell konstruierte lesbische Feministin“. Diese wollten „Frauen auf einer tieferen Ebene besitzen“ und hätten es auf Lesben abgesehen. Sie wollten „Women-born-Women“ mittels ihrer Penisse an vergangenen Missbrauch erinnern und triggern. Sie zwängen lesbische Frauen zu penetrativem Sex, indem sie diese durch Vorwürfe lähmten, zum Beispiel den der Transfeindlichkeit. Namhafte Wissenschaftler würden angeblich an diesen und anderen TERF-Theorien forschen und es gibt sogar einen Euphemismus als Fachbegriff dafür: „The Cotton Ceiling“ (der durch eine baumwollene Unterhose bedeckte Penis). Ziel dieser Bemühungen wäre es, dass das Patriarchat die gesellschaftlich unerwünschte sexuelle Orientierung von Lesben ändern wolle und sich dazu der zwangsumgewandelten Männer bedient, Fachbegriff hier: „Corrective Rape“ (korrigierende Vergewaltigung).

Wem dieser Unsinn nicht gereicht hat, liest im nächsten Kapitel weiter:

ROGD und Autogynephilie

Bei ROGD „Rapid Onset Gender Dysphoria – plötzlich auftretende Geschlechtsdysphorie“ handelt es sich nicht um eine Diagnose. Es wird die Wahrnehmung von Eltern beschrieben, deren Kinder angeblich plötzlich, in der Pubertät, transgeschlechtlich würden. ROGD kam 2016 in 3 transfeindlichen Blogs auf. Auf Initiative von Lisa Littmann wurde ein Konzept der „sozialen Ansteckung“ konstruiert. Der Kontakt mit dem Thema trans in soz. Medien würde einen Gruppenzwang auslösen, der zu einem Trend geführt haben soll. Außerdem hätten vorgeblich Mädchen einen Hass auf ihre Körper, sie werden diskriminiert und das mache sie besonders „empfindlich“ dafür. Das reicht aber noch nicht. Mädchen hätten zusätzlich alle Arten von psych. Störungen, Komorbiditäten, PTBS und ADHS.

Grundlage der ROGD Idee ist ein klassischer verschwörungstheoretischer Ansatz, die Gleichsetzung des Auslösers mit der Ursache.

Die ROGD These erfreut sich im genderkritischen Umfeld großer Beliebtheit und wird gerne kolportiert, da sie Mädchen als „Opfer“ inszeniert. Nun brauchte es eine Theorie für Jungen und welch Wunder, die gibt es und hier sind sie die „Täter“: Autogynephilie.

Autogynephilie erfand der Psychologe Ray Blanchard 1989. Er leugnete die Existenz von transgeschlechtlichen Menschen und konzeptualisierte sie als „normale“ Menschen, die vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind. Dabei betrachtete er Homosexualität als von Natur aus „echt“ und trans als „gefälscht“. Er unterschied Homosexualität, die für ihn akzeptiert ist, von abnormer sexuelle Neigung, als Fachbegriff eine „Paraphilie“.

Er unterschied 2 Gruppen von Männern –

1. Homosexuelle Männer, die ihre Homosexualität durch die Transition zur Frau ausleben könnten.
2. Heterosexuelle Männer, die durch die Fantasie, sie wären weiblich und/oder hätten einen weiblichen Körper sexuell erregt würden.

Sie hätten also einen „irregeleiteten heterosexuellen Sexualtrieb“, der sie dazu brächte, selbst Frauen zu werden.

Für TERFs, genderkritische und Schwurbler Settings sind Bezüge zu ROGD und Autogynephilie ein gutes Erkennungszeichen.

Weiterlesen: Radikalfeminismus

Dieser Beitrag wurde unter Queer abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar