Jägerstraße in den 40er

Die Jägerstraße in Lüneburg war in den 1940gern die letzte Straße am westlichen Stadtrand Richtung Reppenstedt. Mein Vater wuchs im Haus 101, heute 24, auf. Oben rechts im 2. Stock lag die 3 Zimmer Wohnung ohne Bad. Das Kinderzimmer ist das 1 Fenster ganz rechts, neben dem Wohnzimmer zur Straße, das Elternschlafzimmer und die Küche zum Hof.

Die Toilette lag auf dem Hof, der später durch einen dunklen Keller zu erreichen war. In den 40ern gab es eine Außentreppe. An der Wohnung sind an der Hofseite zwei Stahlbolzen mit Rädern eingemauert. Oma Martha spannte dazwischen eine Wäscheleine und trocknete dort ihre Wäsche.

Heute liegt das Haus mitten in einem Wohngebiet. Noch in den 70gern hatte man von da einen unverbauten Blick über endlose Felder, Freiraum für kindliche Phantasie.

Zwischen einer Feldbahn und der Kopfsteinpflasterstraße lag eine Kleingartenanlage, in der meine Großmutter eine Knöterich Laube hatte. Sie pflanzte dort Kartoffeln, Bohnen und Salat. In dem Bild ganz rechts lag die Laube, die ich als Kind noch erlebte.

Vom Kalkbruch führte die Feldbahn unmittelbar an der Straße entlang zum Schildsteinweg. Die Feldbahn wurde nach dem Krieg von den Kindern zum Entgleisen gebracht, die Arbeiter schaufelten einen ganzen Tag, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Von der Dampflok sammelten die Anlieger Briketts, um Feuermaterial zu haben. 

Im Winter wurde aus dem Jägerteich Eis geschnitten und in einen nahem Kühlkeller gebracht. Im Sommer diente das Eis der Lüneburger Kronen Brauerei zum Kühlen.

Oma Martha sang mir jeden Abend Johannes Brahms Wiegenlied: „Guten Abend, gut’ Nacht, mit Rosen bedacht, mit Näglein besteckt, schlupf unter die Deck: Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“ vor. Damit jagte sie mir unwissentlich und regelmäßig einen gehörigen Schrecken ein, denn Gottes guten Willen war ich mir nicht sicher.

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