Lernregeln

13 Regeln aus der Lernbiologie
Nach: Frederic Vester,  Denken, Lernen, Vergessen, 1978, Der Lernstoff und seine Aufbereitung, Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN-10: 3423330457

1. Grundsatz

Lernziele kennen
Dem Lernenden müssen zu jedem Zeitpunkt Wert und Bedeutung eines Lernstoffs persönlich einsichtig sein. Warum und wozu lerne ich das jetzt, muss verstanden worden sein. Nur dann werden Antrieb und Aufmerksamkeit geweckt, der Schüler zum Lernen motiviert, der Organismus auf Aufnahme gestimmt und der Inhalt sinnvoll gespeichert. Die Information wird tiefer verankert, weil dann über die kognitiven Verarbeitungsregionen der Gehirnrinde hinaus z.B. auch das limbische System emotional mitbeteiligt ist.

2. Lernstoff neu Ordnen

Skelett vor Detail
Größere Zusammenhänge hängen selbstredend immer irgendwie mit der alltäglichen Erlebniswelt, also mit Vertrautem zusammen. Eine solche Information ist daher im Gegensatz zu den Details nie allzu fremd. Sie wird sich eher auf vielen Ebenen im Gehirn verankern können und ein empfangsbereites Netz für später angebotene Details bieten, so dass diese saugend  aufgenommen werden.
Erklärung vor Begriff
Durch eine Erklärung von Tatsachen oder Zusammenhängen (ohne noch den zu erklärenden Begriff zu nennen) werden bereits bekannte Assoziationsmuster geweckt, an denen dann der eigentliche neue Begriff – auf den man nun neugierig ist – fest verankert werden kann

3. Lernstoff in die eigene Welt übertragen

Der Lernstoff muss selber für sich passend aufbereitet, angeordnet und „übersetzt” werden, bloß nicht an den Formulierungen von Lehrbücher kleben.

Wirklichkeit vor Fachsystematik
Reihenfolge und Aufbau eines Themas oder Unterrichtsgebiets sind nach realen Lernzielen und nach ihrer Verständnisfolge zu gliedern und nicht nach historischen oder fachsystematischen Gesichtspunkten. Lernstoff, dessen Anwendung weder aus seiner Beziehung zur Wirklichkeit noch aus vorhergehenden Lerninhalten einsehbar ist, wird schlecht im Gedächtnis verankert. Zum anderen ist er später wertlos, da er isoliert gespeichert und für weitere Gedankenverbindungen nicht verfügbar ist.
Verknüpfung mit der Realität
Den Lerninhalt möglichst viel mit realen Begebenheiten verbinden, damit er vernetzt verankert wird. Werden reale Erlebnisse angesprochen, so wird der Lerninhalt trotz zusätzlicher Information eingängiger (Aufnahme als Muster statt als lineare Folge). Bei der anschließenden Verfestigung des Gelernten (Konsolidierung) wirkt dann die reale Umwelt als unentgeltlicher und unbemerkter Nachhilfelehrer, weil sie das Gelernte zum Mitschwingen bringt
Zusätzliche Assoziationen
Durch veranschaulichende Begleitinformation und Beispiele erhält eine neue Information gleichsam ein Erkennungssignal für das Gehirn. Anschauliche Darstellung lässt weitere Eingangskanäle und sonst nicht benutzte haptische und motorische Gehirnregionen mitschwingen. Das garantiert bessere Übergänge ins Kurzzeit- und Langzeit-Gedächtnis und bietet vielseitigere Möglichkeiten, die Information später abzurufen.
Dabei spielt an dieser Stelle der Bezug zum Lernstoff erstaunlicherweise keine entscheidende Rolle. Es können auch Erinnerungen frei dazu assoziiert werden. Zum Beispiel Urlaubserinnerungen oder andere völlig abwegige Erinnerungen. Man schafft sich dadurch gleichsam eine Vielzahl „neuer“ Eingänge im Gehirn zum Lernstoff. Der Weg läuft dann zum Beispiel über eine Urlaubserinnerung zu einer Formel. Der umgangssprachliche und leider wenig erklärende Begriff dafür ist „Eselsbrücke“.
Interferenz vermeiden
Zusatzwahrnehmungen ähnlichen Inhalts stören oft das Abrufen der innerhalb des Ultrakurzzeit- Gedächtnisses kreisenden Erstinformation. Sie lassen diese ohne feste Speicherung abklingen und verhindern so das Behalten. Besser ist es, die Erstinformation zunächst ins Kurzzeit- Gedächtnis abzurufen, d.h. an bekannten Gedankeninhalten zu verankern, und dann erst Variationen über das Thema anzubieten.

4. Wiederholungen

Viele Eingangskanäle
Den Lernstoff über möglichst viele Eingangskanäle anbieten, einprägen und verarbeiten. Je mehr Wahrnehmungsfelder im Gehirn beteiligt sind, desto mehr Assoziationsmöglichkeiten für das tiefere Verständnis werden vorgefunden, desto größer werden Aufmerksamkeit und Lernmotivation, und desto eher findet man die gelernte Information wieder, wenn man sie braucht. Einfach ist es, den aufbereiteten Lernstoff als mp3 aufzusprechen und im Alltag abzuhören.
Wiederholung neuer Information
Jeden Lernstoff in Abständen wiederholt aufnehmen. Wenn eine Information wiederholt über das Ultrakurzzeit-Gedächtnis aufgenommen wird, kann sie mit mehreren vorhandenen Gedächtnisinhalten assoziiert werden.
Dichte Verknüpfung
Eine dichte Verknüpfung aller Fakten eines Unterrichts, eines Buches oder einer Aufgabe miteinander stärkt den Lerneffekt, vermittelt Erfolgserlebnisse und fördert das Behalten wie auch das kreative Kombinieren ohne zusätzlichen Aufwand. Es müssen also Bezüge zu den vorhergehenden Lerninhalten hergestellt werden, zum Beispiel durch kurzes Wiederholen und Bezug auf die Gliederung.

5. Lernspaß

Neues alt verpacken
Unbekannt = feindlich = Stress. Die dadurch ausgelöste negative Hormonlage blockiert das Denken und Kombinieren und verhindert, dass sich der Stoff assoziativ verankert. Vertraute Verpackung mildert dagegen die Abwehr gegen das Unbekannte und vermittelt darüber hinaus durch das Gefühl des Wiedererkennens ein kleines Erfolgserlebnis, und der Trend geht in Richtung lernpositiver Hormonlage
Neugierde kompensiert Fremdeln
Wo Neugier, Faszination und Erwartung fehlen, wird die so wichtige Lernbereitschaft für einen zunächst fremden Stoff nicht geweckt. Vielmehr löst die Konfrontation mit dem Ungewohnten dann über das Zwischenhirn und den Sympathikusnerv eine direkte Stimulation von Catecholaminen – auch in bestimmten Gehirnregionen – aus, was bei geringen Streßreizen vielleicht noch das Behalten, aber nicht das Verstehen ermöglicht und bei stärkeren Reaktionen zudem die Abwehrhaltung gegen den Lernstoff zementiert. Die Konsolidierung und Verarbeitung der aufgenommenen Information kann nicht mehr erfolgen
Lernspaß
Spaß und Erfolgserlebnisse sorgen für eine lernpositive Hormonlage und damit für ein reibungsloses Funktionieren der Synapsen und des Kontaktes zwischen den Gehirnzellen. Daher werden mit positiven Erlebnissen verknüpfte Informationen besonders gut verarbeitet und verstanden und ebenfalls wieder vielseitig (und somit anwendungsbereiter) im Gedächtnis verankert

6. Vor dem Schlafen lernen

Die Lerninformationen werden im Kurzzeitgedächtnis im Limbischen System zwischengespeichert. Im REM-Schlaf werden sie ins Langzeitgedächtnis sortiert. Als „Abfallprodukt“ dieses Vorganges träumen wir diese Tageserinnerungen unsortiert. Deshalb können wir Lerninhalte, die wir vor dem Schlafen aufnehmen, leichter ins Langzeitgedächtnis bekommen, da sie gerade ganz „frisch“ ins Kurzzeitgedächtnis gekommen sind.

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