Pride Award 2019

Hamburg Pride e.V. vergibt jährlich den Pride Award. Vom 15.7. bis zum 19.7.2019 konnte online entschieden werden, wer den jährlichen Pride Award erhalten sollte. Für Kai Reinecke und mich war es eine große Ehre, dass wir die Nominierten waren. Meine Nominierung wurde wie folgt begründet:

„Cornelia Kost engagiert sich seit vielen Jahren in der trans-Community. Sie leistet bei vielen Veranstaltungen für Gruppen oder Multiplikator*innen wichtige Aufklärungsarbeit zu trans, Intergeschlechtlichkeit, Abinarität/Nicht-Binärität und geschlechtlicher Vielfalt generell. Damit trägt Sie zur Sichtbarkeit von Menschen bei, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Verortung häufig ausgegrenzt, diskriminiert oder schlicht nicht gesehen werden. Sie baute maßgeblich das Angebot 4be TransSuchtHilfe (sprich: for be) in Hamburg mit auf, dass Beratung und Unterstützung sowie weiterführende Hilfen in Suchtfragen sowohl für alle trans, abinären/nicht binären und genderdiversen Menschen als auch für deren Angehörigen, Partner*innen und Familien bietet. Desweiteren gibt es auch Beratung zu Fragen um die eigene Selbstfindung, dem Coming Out, Vornamens- und Personenstandsänderungen und vielem mehr. Dank des Einsatzes von Cornelia formierte sich 2018 erstmals das Bündnis enby:galactic & trans:tastic zur Hamburger CSD-Demo: Mit über 500 Teilnehmer*innen war es der bisher größte und wohl auch erste Block von trans, inter und nicht binären Menschen bei einem Hamburger CSD.

Bis der Umschlag auf der Pride Night geöffnet wurde, wusste ich definitiv nicht, dass ich die Gewinnerin sein würde. Ich war sehr konzentriert auf meine Dankesrede, die ich wegen des besonderen Anlasses vorbereitet hatte. Es war erstaunlich wenig Platz in dem Moment, für das große Glück und die vielen Glückwünsche.

Der Pride Award hat seine Bedeutung in der Nominierung, mit der schriftlichen Würdigung mit Foto im öffentlichen Raum. Lieber Kai Reinecke, Du hast den Preis mit Deiner Arbeit ebenso 10x, 100x verdient. Ich bedanke mich bei Dir, dass Du mich hast gewinnen lassen, wie auch immer Du das gemacht hast?

Dann bedanke ich mich bei Daniel Schiano, der mit mir und anderen letztes Jahr enby:galactic + trans:tastic gegründet hat, der mit mir 4Be entwickelt hat und mir die Türen in der Szene geöffnet hat. Ohne Dich würde ich hier für diese tollen Projekte nicht stehen.

Hinter diesen Projekten stehen viele und stellvertretend für uns alle nehme ich diesen Preis gerne an. Wir stehen mit diesen Projekten für konkrete politische Inhalte, drei möchte ich hier an meinen persönlichen Erfahrungen in wenigen Worten erläutern.

Ein Dreivierteljahr hat mein Psychiater mir auszureden versucht, dass ich transsexuell sei. Das habe ich erst begriffen, als er mir Ende 1985 sagte, er würde mir kein Gutachten schreiben. Danach war ich zerstört und habe zwei Mal sehr ernsthaft versucht, mein Leben zu beenden. Das ist vor 34 Jahren passiert und es ist für viele Transsexuelle immer noch grausame Realität, dass sie nach 2 oder 3 Jahren in, von den gesetzlichen Krankenkassen geforderten, psychiatrischen Pflichttherapien ohne positivem Gutachten dastehen.

Ich nenne das Konversionstherapie.

Transsxexualität ist aus dem jetzigen Gesetzesvorhaben zum Verbot ausgenommen, damit solche Ergebnisse weiterhin möglich bleiben. Knapp 1. Mio. EUR musste der Staat im letzten Jahr für Gutachtenverfahren bezahlen, eine ähnlich hohe Summe haben Transsexuelle selber aufbringen müssen. Dabei wird auf allen Ebenen von trans und nicht binären Menschen Zwangsbinarität verlangt.

Wir fordern ein Verbot, jeglicher nicht unterstützender Behandlung, von Zwangstherapien und Gutachtenpflicht.

Da ich mich nach dem Transsexuellengesetz scheiden lassen musste und damals ein Trennungsjahr vorgeschrieben war, musste ich meine Familie mit meinen zwei kleinen Kindern verlassen. Mit seinem Sterilisierungszwang atmet das faktisch, durch zahlreiche Urteile des Bundesverfassungsgerichts, aufgehobene TSG den Geist des dunkelsten Teils deutscher Geschichte. Der Staat entschied, welches Leben sich fortpflanzen darf und welches nicht. Welche Ehen erlaubt sind und welche zu scheiden. Bis heute kommen aus dem Bundesinnenministerium dazu keine guten Vorschläge, dieses Unrecht zu stoppen. Am TSG kleben buchstäblich Blut und Tränen.

Wir fordern: „Das Bekenntnis zum eigenen Geschlecht ist frei. Es darf weder durch den Staat oder durch Psychiater bestritten oder nachgeprüft werden.“

Zwei Anschlagsserien hatte ich auf mein Haus, da waren meine Kinder gerade schulpflichtig. Eine anonyme schriftliche Morddrohung habe ich bekommen. Einmal wurde mein Auto bei Anschlägen vollständig zerstört, einmal beschädigt. Zwei Mal hat der Staatsschutz ermittelt. 300 Hamburger_innen stehen auf den Todeslisten der Rechtsradikalen. Damit allen Angst gemacht wird, werden die Betroffenen nicht informiert, oder wie ist das zu verstehen? Wenn wir nicht endlich lernen, zusammen zu stehen, und für diese Demokratie zu kämpfen, kann das ganz übel ausgehen.

Dafür haben wir enby:galatic + trans:tastic gegründet: Zusammen sprechen, zusammen halten, zusammen kämpfen – ist überlebenswichtig.

Im Namen von uns allen danke ich Euch sehr.

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