Geschlechterneutrale Toiletten

Da alle Menschen ein eigenes Geschlecht haben, haben sie zum Thema eine eigene fachlich fundierte Meinung. Beim Formulieren des Antrages wurde schnell deutlich, dass für die meisten Menschen öffentlichen Toiletten kein Thema sind und sie deshalb wenig Empathie für Menschen aufbringen, die diese gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen aufsuchen können (3).

Diese Haltung ändert sich, wenn nur die Frauen betrachtet werden. Die im öffentlichen Raum geltende Versammlungsstättenverordnung sieht ab 1.000 Plätze für „Herren“ 20 Toiletten vor, für „Damen“ nur 12. Gleichberechtigung gibt es nur beim Raumbedarf. Dank Urinalen können bei „Herrentoiletten“ 8 Plätze mehr untergebracht werden.

An diesem einfachen Beispiel wird deutlich, was Gender Mainstreaming bedeutet. Seit dem Vertrag von Amsterdam 1997 ist Gender Mainstreaming das erklärtes Ziel der EU, beschlossen vor dem Hintergrund von Massenvergewaltigungen im Jugoslawienkrieg. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern müssen berücksichtigt werden, um zu einer Gleichberechtigung zu kommen. Wenn das Ziel wäre, dass Frauen in gleichem Maße die Toilette benutzen können wie Männer, müsste sich das Verhältnis der Toiletten umkehren. Die Folgen wären mehr Platzverbrauch und höhere Kosten in öffentlichen Gebäuden.

Viel einfacher wäre es natürlich, wir würden das Thema außerhalb dieser falschen Binarität der Geschlechter angehen und die Toilette für Alle bauen. Die Toilette für Alle ist in unserem Alltag allgegenwärtig. In unseren Privatwohnungen, wenn wir Freundinnen besuchen, im Flugzeug und der Bahn teilen sich die Geschlechter wie selbstverständlich die Toiletten. Sie sind deswegen zwar nicht inklusiv, trotzdem erfreuen sie sich allgemeiner Akzeptanz.

Es geht so einfach, mit Edding selbst gemacht.

Unser Antrag hebt auf trans- und intersexuelle Menschen ab, dazu einige Zahlen und deren Quellen.

3,3 % aller Menschen haben ein von ihrem Registerdaten-Geschlecht ein abweichendes soziales Geschlecht. (1)

0,2 bis 2 % aller Menschen haben keine Übereinstimmung des augenfälligen Geschlechts mit dem erlebten Geschlecht. (1)

Zwischen 8.000 und 120.000.Menschen in Deutschland sind intersexuell. (1)

Übrigens werden 1.700 intersexuelle Kinder zwischen null und neun Jahren jährlich in Deutschland an ihren Genitalien operiert. Das sind ca. 5 Kinder am Tag und das passiert ohne deren Einwilligung! (2).

Von 1.000 Besucherinnen im Bezirksamt können 33 gar nicht oder unter Angst die öffentlichen Toiletten benutzen. Die Arbeitsstättenverordnung steht der Toilette für Alle entgegen. Darin heißt es in Paragraf 6, Absatz 2.: „Umkleide-, Wasch- und Toilettenräume sind für Männer und Frauen getrennt einzurichten oder es ist eine getrennte Nutzung zu ermöglichen.“ An dieser Frage kochen die Emotionen hoch, wie sich an der Diskussion um transsexuelle Menschen in öffentlichen Toiletten, im konservativem Rollback in einigen Staaten der USA betrachten lässt. Dort werden Frauen gezwungen, die Männertoilette aufzusuchen und umgekehrt.

Dieser Streit lässt sich nur wirksam beenden, wenn die Toilette für Alle kommt. Damit soll auch die Zeit der Gemeinschaftstoiletten beendet werden, die heute an Zustände wie im alten Rom erinnern und nicht mehr zeitgemäß sind.

Bei den Dänen geht es.

Der Antragstext:

Umsetzung geschlechterneutraler Toilettenbenutzung im Bezirksamt

Sachverhalt:

Die Situation trans- und intersexueller Menschen ist in den vergangenen Jahren in den Fokus der wissenschaftlichen Diskussion, aber auch des politischen Handelns gerückt. Seit 2013 gibt es eine Revision des Personenstandgesetzes., nach der es möglich ist, die Eintragung des Geschlechts im Geburtenregister offen zu lassen, „wenn ein Kind weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden kann“. Ebenso ist eine nachträgliche Löschung des Geschlechts möglich.

Trans- und intersexuelle Menschen sind jedoch nach wie vor Diskriminierung ausgesetzt. Eine niedrigschwellige Maßnahme zum Abbau von Hürden im Alltag kann die Einrichtung von geschlechterneutralen Toiletten sein. In den Planungen für das neue Stadtteilhaus in Stellingen ist die Einrichtung einer Unisex-Toilette berücksichtigt. Daher soll die Möglichkeit geprüft werden, auch im Bezirksamt eine geschlechterneutrale Toilettenbenutzung zu ermöglichen, indem mindestens eine der vorhandenen Anlagen als Unisex-Toilette ausgewiesen wird.

Geeignete Toiletten gibt es bereits in Berlin. Im Gebäude der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales wurden bereits 2015 zwei „WCs für alle Geschlechter“ geschaffen, zu Kosten von € 350,– (Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/25477500).

Petitum:

Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, zu prüfen, wie eine Toilettenbenutzung mindestens an einer geeigneten Stelle im Bezirksamt geschlechterneutral ermöglicht werden kann.

Umsetzung:

Bezirksamt Eimsbüttel Bezirksversammlung
Datum 25.01.2018

Sachverhalt: Umsetzung geschlechterneutraler Toilettenbenutzung im Bezirksamt

Mitteilungsvorlage der Verwaltung Drucksachen–Nr.: 20-2679 D, Beschluss der BV vom 14.12.2017

Das Bezirksamt wurde gemäß der Drucksache 20-2626 gebeten zu prüfen, inwieweit eine Toilettennutzung im Bezirksamt geschlechterneutral ermöglicht werden kann. Nach Prüfung der vorhandenen Möglichkeiten bestünde eine kostengünstige Möglichkeit darin, die Beschilderung der (Herren-) Toilettenanlage im 8. Stock, Aufgang Grindelberg 66 zu verändern. Nach bereits erfolgter Abstimmung mit der Stabsstelle Gleichstellung und geschlechtliche Vielfalt würde das bisherige Schild „Herren WC“ getauscht gegen ein Schild mit der Aufschrift „WC für alle Geschlechter“. Zudem würde das Hinweisschild neben den Drehtüren, welches derzeit auf die Standorte für die Damen- und Herrentoiletten hinweist (siehe Foto anbei), um einen Hinweis auf das „WC für alle Geschlechter“ ergänzt und die Pförtner zwecks der Beantwortung von entsprechenden Nachfragen entsprechend informiert. Bauliche Anpassungen wären aufgrund der Konstruktion der Toilettenanlage im 8. Stock anders als z. B. im 12. Stock nicht notwendig, da sich dort neben zwei Toiletten-Kabinen nur ein einzelnes und bereits ausreichend sichtgeschütztes Pissoir befindet (siehe Foto anbei). Das Bezirksamt wird die genannte Maßnahme ohne weiteren Antrag umsetzen, sofern keine andere Beschlusslage vorliegt.

Petitum: Um Kenntnisnahme wird gebeten.

 

Quellen:

(1) Sachstandsbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Informationen zur Situation trans- und intersexueller Personen, 26. Oktober 2016, S. 7-8 . https://www.bmfsfj.de/blob/112092/25143068af0f51442bf5efd34edd8016/situation-von-tans–und-intersexuellen-menschen-im-fokus-data.pdf

(2) Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien, Zur Aktualität kosmetischer Operationen „uneindeutiger“ Genitalien im Kindesalter, Ulrike Klöppel https://www.gender.hu-berlin.de/de/publikationen/gender-bulletins/bulletin-texte/texte-42/kloeppel-2016_zur-aktualitaet-kosmetischer-genitaloperationen, Dezember 2016

(3) Eine gute, leider ableistische* Quelle für Transmisogynie* sind die Störenfriedas. Hier ist beispielhaft nachzuvollziehen, wer und wie argumentiert wird.
(*Ableismus: Diskriminierung gegenüber Menschen, denen körperliche Einschränkungen zugeschrieben werden; *Misogynie: Frauenfeindlichkeit)

Obwohl wir keine Pressemitteilung veröffentlicht haben, erschien noch im Dezember 2017 ein längerer Artikel im Hamburger Abendblatt. Weitere Pressereaktionen im Eppendorfer Wochenblatt und in den Eimsbütteler Nachrichten.

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