Nein! zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte

Der aktuelle Aufruf der Grünen Friedensinitiative zum Krieg gegen die Sunniten, den ich unterstütze:

»Nein!« zum »Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation sogenannter „Islamischer Staat“ (IS)«
»Nein!« zur Bundeswehr-Mission im Rahmen der Neuauflage des »Krieges gegen den Terror«

(1.12.2015)

Wir fordern die GRÜNEN Abgeordneten auf, im Bundestag gegen den Antrag der Bundesregierung zum »Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation sogenannter „Islamischer Staat“ (IS)« zu stimmen.

Denn: Das Mandat ordnet sich in die internationale Neuauflage des 2001 von der US-Regierung unter George W. Bush jr. ausgerufenen »Krieges gegen den Terror« ein. Dieser ist aber nicht nur gescheitert, mehr noch, er hat unbeschreibliches Leid über viele Millionen Menschen gebracht und den islamistischen Terrorismus weltweit befeuert statt eingedämmt. Sogar G. W. Bush jr. und Tony Blair haben sich von ihrer damaligen Politik distanziert bzw. sich dafür entschuldigt. Darum dürfen wir heute diesen Fehler nicht wiederholen. Diese »Strategie« nach den Terroranschlägen in Paris und dem Anschlag auf das russische Passagierflugzeug über dem Sinai neu aufzulegen, halten wir für einen gefährlichen Irrweg. Deswegen sollte sich Deutschland daran nicht beteiligen.

Verantwortliches Handeln wäre vielmehr, wenn sich die deutsche Politik international gegen diesen falschen Kurs engagieren würde, so wie in den beiden Syrienkonferenzen bereits geschehen. Nur ein umfassendes politisches und auch zivilgesellschaftliches Gesamtkonzept für Syrien, ein „Westfälischer Frieden für Arabien“ , kann die tragende Säule der Bekämpfung von Daesh (IS) und zur Befriedung der Region sein.

Alle wissen, dass kurzfristig die Daesh-(IS)-Terrororganisation entscheidend geschwächt werden könnte, wenn endlich die türkische Grenze für Daesh-(IS)-Kämpfer und militärischen Nachschub geschlossen, der Ölverkauf in die Türkei gestoppt und die Finanzströme insbesondere aus Saudi-Arabien gestoppt würden.

Es zeigt sich, dass unsere Befürchtungen berechtigt waren: Die deutschen Waffenlieferungen in den Nordirak im September 2014 und die Entsendung 100 deutsche Soldatinnen und Soldaten nach Kurdistan-Irak im Januar 2015 waren der Einstieg in weitere militärische Verstrickungen in der Region. Nun sollen 1.200 Bundeswehrsoldaten entsandt werden zur »Bereitstellung von Luftbetankung, Aufklärung (insbesondere luft-, raum- und seegestützt), seegehendem Schutz und Stabspersonal«. Das wäre der aktuell größte Auslandseinsatz der Bundeswehr überhaupt. Damit sollen die Bombardierungen der »Koalition der Willigen« gegen Daesh (IS) unterstützt werden, die regelmäßig zahlreiche zivile Opfer mit sich bringen und dadurch zur Rekrutierung neuer Daesh-(IS)-Kämpfer beitragen.

Dabei werden die grundsätzlichen Fragen zum Sinn und Ziel des Einsatzes nicht beantwortet. Unter welchen Bedingungen wird welches militärische Ziel überhaupt erreicht? Sollen dann auch Bodentruppen gegen Daesh (IS) kämpfen, zumal eine Kooperation mit dem syrischen Staatschef Assad oder mit Truppen unter seinem Kommando sowie eine Kooperation mit Russland vom Verteidigungsministerium bereits ausgeschlossen wurde? Was ist mit den Eskalationsgefahren zwischen den USA und Russland und deren Verbündeten, die dort auch einen geopolitischen Stellvertreterkonflikt austragen? Ferner hat niemand einen Vorschlag, was geschehen soll, wenn Daesh (IS) besiegt ist. Es fehlt ein politisches Konzept.

Dieses Mandat stellt sich hingegen als ein Blankoscheck für maximalen militärischen Spielraum dar, da eine territoriale Entgrenzung stattfindet. Denn der Einsatzraum wird keineswegs nur auf den Irak und Syrien beschränkt, sondern explizit auf den »Persischen Golf, das Rote Meer und angrenzende Seegebiete« ausgeweitet. Implizit ist der Einsatz sogar in allen 63 anderen Staaten der internationalen »Koalition der Willigen« gegen Daesh (IS) möglich, sofern die entsprechende Regierung darum bittet.

Wir fragen: Was kommt als Nächstes? Wann wird das beantragte Kontingent von 1.200 Bundeswehrsoldat*innen erhöht, der Einsatz ausgeweitet? Wir erinnern uns: In Afghanistan folgte auf eine wenige Hundert Mann starke ISAF-Einsatztruppe zur Sicherung Kabuls eine regelmäßige Aufstockung der Bundeswehrkontingente auf über 5000 Soldat*innen, der Einsatz von Tornados und die Teilnahme und Initiierung offensiver Kriegshandlungen. Gerade erst wurde das Bundeswehr-Kontingent dort wieder auf 950 Soldaten aufgestockt, der Einsatz dauert an.

Auch wenn die Bundesregierung das Gegenteil behauptet: Das von ihr beantragte Mandat kann sich auf keine Resolution des UN-Sicherheitsrats stützen, denn dieser hat in seiner Resolution vom 20.11.2015 gerade kein Mandat für militärische Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta erteilt. Der Sicherheitsrat hat die Mitgliedstaaten lediglich dazu aufgerufen, unter Beachtung des Völkerrechts alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Dabei fehlt die Formulierung zur Autorisierung von Gegenmaßnahmen (»authorizing all necessary means«). Somit liegt in der Resolution vom 20. November 2015 kein Mandat für einen Militäreinsatz vor.

Die flankierende Behelfskonstruktion, den Irak und die gesamte »Koalition der Willigen« gegen den Daesh (IS), die aus 64 Staaten besteht, in der »Selbstverteidigung« zu unterstützen, halten wir für gesetzeswidrig. Gerade die Selbstermächtigung, Krieg in Syrien führen zu dürfen, »da die syrische Regierung nicht in der Lage  und/oder nicht willens ist, die von ihrem Territorium ausgehenden Angriffe durch IS zu unterbinden«, ist besonders widersprüchlich, wenn gleichzeitig auf eigene deutsche Aktivitäten im syrischen Bürgerkrieg zugunsten der bewaffneten Opposition verwiesen wird. Diese »Stabilisierungsmaßnahmen« werden »derzeit mit Schwerpunkt in den Oppositionsgebieten in Syrien« von vielen Bündnispartnern durchgeführt. Es gibt in diesem sich vielfältig überlagernden Stellvertreterkrieg (auch der Regionalmächte Türkei, Iran und Saudi Arabien) mehr als 1.500 militärische Gruppierungen in Syrien, die teilweise auch untereinander Krieg führen, was bisher nur zu einer weiteren Eskalation der Gewalt geführt hat. Außerdem wertet die Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht die Terrororganisation Daesh (IS) zum Staat auf.

Das Grundgesetz setzt Auslandseinsätzen der Bundeswehr zusätzliche Grenzen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat klargestellt, dass Bundeswehreinsätze im Ausland vom Grundgesetz nur zugelassen sind, wenn diese zur Verteidigung oder im Rahmen eines »Systems kollektiver Sicherheit« erfolgen. Es ist rechtlich wie politisch unhaltbar, wenn die Bundesregierung nunmehr die »Koalition der Willigen« gegen Daesh (IS) zu einem solchen System erklärt, zumal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum EU-Lissabon-Vertrag aus dem Jahre 2009 ausdrücklich festhält, dass selbst die EU kein »System kollektiver Sicherheit« ist.

Wir halten den geplanten Militäreinsatz mit dem Grundgesetz für nicht vereinbar. Politisch bedeuten die rechtlichen Winkelzüge der Bundesregierung, dass Kriegseinsätze ohne UN-Mandat auch in Deutschland allen Sonntagsreden zum Trotz mittlerweile zum Standard geworden sind. Das Recht des Stärkeren wird an Stelle der Stärkung des Rechts  gesetzt – eine fatale Fehlentwicklung! Wie will sich eine deutsche Bundesregierung in Zukunft gegenüber Anderen überhaupt noch glaubwürdig für die Einhaltung des Völkerrechts einsetzen?

Die für den Militäreinsatz vorgesehenen 134 Mio. € müssen hingegen für dringend erforderliche humanitäre Hilfsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Gerade das UN-Flüchtlingshilfswerk hat aktuell nicht einmal ausreichende Mittel eine Basisversorgung für die syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern sicherzustellen.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir von den Grünen Abgeordneten, bei der Abstimmung im Bundestag mit »Nein!« zu stimmen.

Der geplante Einsatz der Bundeswehr in Syrien eindeutig völkerrechtswidrig und politisch nicht zu verantworten.

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