Kalten Krieg 2.0 beenden

Antrag an die BDK 21.-23.11.14 in Hamburg
Uli Cremer (KV Hamburg Eimsbüttel) u.a.
Den Ukraine-Konflikt deeskalieren! Den Kalten Krieg 2.0 beenden!

IMG_1546.PNGNach der Auflösung der Sowjetunion 1991 entstanden die Ukraine und Russland als neue Staaten, die eng miteinander kooperierten. Gleichzeitig bauten sie politische und wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu den westlichen Ländern auf. Dabei schlossen sie auch Verträge mit der NATO. Westliche Politik in Bezug auf die Ukraine war und ist immer auch bewusste Gestaltung des Verhältnisses zu Russland. Seit Jahren versucht der Westen die Ukraine aus seiner Verbindung zu seinem großen Nachbarland heraus zu lösen und in seine Einflusssphäre zu integrieren. Mit der Europäischen Nachbarschaftspolitik verfolgt die EU das Programm, einen „Ring stabiler, befreundeter Staaten“ um die EU herum zu etablieren. Neben der Mittelmeerunion umfasst dies auch die „Östliche Partnerschaft“ (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und die Ukraine). Seit dem Jahr 2010 wurde mit diesen Staaten mit Ausnahme Weißrusslands über ein Assoziierungsabkommen verhandelt. Noch Anfang 2012 formulierten die Mitglieder der Expertengruppe „Östliche Partnerschaft“ der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik recht unbefangen: „Der außenpolitische Diskurs in Deutschland meidet die Thematisierung geostrategischer Überlegungen. Doch sollten die Realitäten anerkannt werden: Wenn Russland von Stabilität redet, wird dort in Kräfteverhältnissen und Einflusssphären gedacht. Genauso legitim ist es, die Östliche Partnerschaft auch unter geostrategischen Überlegungen zu betrachten. Die Europäische Union zielt mit diesem Konzept auf die Verbreitung ihrer politischen, rechtlichen sowie ökonomischen ‚Spielregeln’ und damit auf eine schrittweise Anbindung der Region. Dabei versucht die EU mit Kooperationsangeboten zu vermeiden, dass die wirtschaftliche Zwangslage der östlichen Partner diese zur Annahme anderer Integrationsmodelle führt, die den europäischen Interessen widersprechen.“

Uli Cremer

Uli Cremer

Die ukrainischen Regierungen des letzten Jahrzehnts und die politische Klasse sahen ihr Heil in einer Schaukelpolitik zwischen Westen und Russland. Einerseits legten sie Wert auf die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Russland. Andererseits strebten sie nach westlicher Integration und arbeiteten auf einen Beitritt zur NATO hin (damals noch gegen die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung). Das führte innenpolitisch zu wachsenden Spannungen zwischen russlandorientiertem Osten und EU-orientiertem Westen des Landes.

Das wichtigste Mittel zur Einbindung der Ukraine in das westliche Lager war das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, das am 27. Juni 2014 vollständig unterzeichnet wurde. Damit ist ein Beitritt der Ukraine zum Gegenspieler der EU, der Zollunion zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan, unmöglich geworden. Faktisch ist die Ukraine dem westlichen Block beigetreten.

Das Abkommen sieht einmal die Integration der Ukraine in die EU-Militärstrukturen vor; und zum anderen wird das Land hierdurch Teil einer Art großeuropäischen Wirtschaftszone. Dafür müssen nahezu sämtliche Schutzmaßnahmen für die einheimische Wirtschaft abgeschafft werden. Ukrainische Betriebe werden künftig mit den übermächtigen westeuropäischen Konzernen um Aufträge und Märkte konkurrieren. Schon Anfang 2014 war die Ukraine nicht mehr in der Lage, ihre Auslandsschulden zurückzuzahlen. Inzwischen ist die Wirtschaft, auch in Folge des Bürgerkrieges in Ostukraine, völlig eingebrochen.

Im Februar war es noch gelungen, die Janukowitsch-Regierung daran zu hindern, eine „Anti-Terror-Operation“ gegen die Opposition zu starten. Es kam zu Scharfschützeneinsätzen auf dem Maidan, die bis heute nicht aufgeklärt wurden. Unter Moderation mehrerer Außenminister aus EU-Staaten wurde eine Regierung der nationalen Einheit verabredet.

Aber nur einen Tag später setzte eine Parlamentsmehrheit eine einseitig prowestliche Regierung ein. Angeführt wurde diese von Jazenjuk, den die US-Regierung unterstützt hatte. Die EU, insbesondere die deutsche Regierung konnte ihren eigenen Favoriten Klitschko nicht durchsetzen, auch als neuen Präsidenten der Ukraine später nicht. Im innerwestlichen Gerangel hatte die US-Regierung die Nase vorn.

Die neu installierte Regierung setzte auf Ausgrenzung. Mehrere Rechtsradikale erhielten Ministerposten. Eine der ersten Entscheidungen war die Suspendierung des Sprachgesetzes. Diese nationalistisch-ukrainische Entscheidung bedeutete eine Kampfansage an die russischsprachige Bevölkerung, obwohl die Umsetzung später nicht erfolgte. In der Süd- und Ostukraine wurden Rathäuser und Polizeistationen besetzt, in einigen Regionen wurden sezessionistische Referenden mit der Rückendeckung Russlands angesetzt und durchgeführt, die den Konflikt weiter aufheizten. Weder das Referendum auf der Krim noch die in der Ostukraine genügten internationalen Standards bzw. waren von beiden betroffenen Seiten akzeptiert worden. Die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation bewerten wir daher als rechtswidrig.

Die Kiewer Regierung verteufelte die Oppositionellen als „Terroristen“, verfolgte sie und startete im Mai ihre „Anti-Terror-Operation“ in der Ostukraine. Die Separatisten formierten und bewaffneten sich. Viele Soldaten und Polizisten wandten sich von der Zentralregierung ab und wechselten die Seite – unter Mitnahme ihrer Ausrüstung. Die Separatisten erhielten großzügige Unterstützung aus Russland: Waffen und russisch-nationalistische Kämpfer strömten in die Ostukraine, später kamen auch reguläre russische Soldaten zum Einsatz. In Donezk und Lugansk wurden „Volksrepubliken“ ausgerufen. Die Gesellschaft militarisierte und kriminalisierte sich. Anhänger der Zentralregierung wurden verfolgt, gefoltert und sogar umgebracht.

Auch auf der anderen Seite ist politische Verfolgung inzwischen Alltag. Es entstanden private, vielfach rechtsradikale Milizen, die von einzelnen Oligarchen gesponsert wurden und werden. Dabei ist die in nationalsozialistischer Tradition stehende und in Deutschland verbotene Wolfsangel genutztes Symbol. In vielen Milizen kämpfen ausländische Söldner für die „ukrainische Sache“. Ukrainische Armee, Nationalgarde und Privatmilizen setzen Luftwaffe und schwere Artillerie im Bürgerkrieg ein, töteten so zahlreiche Zivilpersonen und machten sich ebenfalls diverser Menschenrechtsverletzungen schuldig, wie amnesty international dokumentiert hat und auch ein Bericht der Beobachtermission des UN Hochkommissars für Menschenrechte bestätigt.

Angesichts der allgemeinen nationalistischen Erregung auf beiden Seiten hatten Waffenstillstände und runde Tische monatelang keine Chance. Die Verabredungen auf internationaler Ebene wurden nie umgesetzt. Die Gräben wurden immer weiter vertieft. Es mussten erst mehrere tausend Menschen sterben und hunderttausende vertrieben und in die Flucht getrieben werden, bevor die Separatisten von der Zentralregierung Anfang September als Verhandlungspartner anerkannt wurden. Der unter Moderation der OSZE und unter Beteiligung Russlands in Minsk ausgehandelte Waffenstillstand ist zwar brüchig, hat aber die Gewalt erheblich eingedämmt. Gekämpft wird nur noch an neuralgischen Stellen wie dem Donezker Flughafen sowie in und um Mariupol.

Beim Ukraine-Konflikt handelt es sich gleichzeitig um einen lokalen wie auch einen internationalen geopolitischen Konflikt, der das europäische politische Gefüge der Ära nach dem Kalten Krieg aus den Angeln zu heben droht. Es rächt sich heute, dass die NATO-Staaten in den 1990er Jahren für die Marginalisierung der OSZE sorgten. In NATO-Strukturen war eine Zusammenarbeit mit Russland auf Augenhöhe nicht möglich.

Statt die eigenen geopolitischen Ansprüche zurückzuschrauben, haben USA und EU einen Wirtschaftskrieg gegen Russland begonnen. Anfangs wurden die Sanktionen mit der Annexion der Krim begründet. Die zweite Sanktionsrunde wurde nach dem Abschuss der MH17 eingeläutet, den man Russland anlastete. In Wirklichkeit ist die Täterschaft bis heute nicht geklärt, zumal Kiew und Washington den internationalen Ermittlern Informationen vorenthalten. Die dritte Sanktionsrunde war die groteske westliche Antwort auf den Anfang September vereinbarten Waffenstillstand!

Auf dem jüngsten NATO-Gipfel hat der Militärpakt der Ukraine selbst zwar keinen Zeitplan für den Beitritt angeboten, aber Russland die „Partnerschaft“, politische und militärische Zusammenarbeit aufgekündigt und die Krise für neue Aufrüstungsbeschlüsse genutzt: Im Rahmen der Interventionstruppe NATO Response Force (NRF) soll eine Brigade für Osteuropa formiert werden; im Baltikum, Polen und Rumänien werden fünf neue Stützpunkte errichtet. Die Militärhaushalte sollen sukzessive auf 2% des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Das würde für Deutschland eine Steigerung des Militäretats von jetzt 33 Mrd. auf 55 Mrd. Euro bedeuten! Im September eskalierte die NATO mittels Militärmanövern im Schwarzen Meer und in der Westukraine statt diese in der zugespitzten Situation abzusagen. Russland reagierte mit eigenen Manövern.

Wir halten den Wirtschaftskrieg und die Ausgrenzung Russlands aus Europa für falsch. Die Forderungen nach Energieautarkie weisen wir zurück. Auch die Energiesicherheit muss mit und nicht gegen Russland geschaffen werden. Wirtschaftliche Verflechtungen können einen Beitrag zur politischen Verständigung bzw. die Basis für eine Wiederannäherung leisten. Auch Kultur- und Sportboykotte sind kontraproduktiv, schaffen doch gerade große Sportereignisse nicht nur für die SportlerInnen, sondern auch für die ZuschauerInnen die Gelegenheit zu Gesprächen und Dialog. Die gegenseitig verhängten Einreiseverbote lehnen wir generell ab.

Der Kalte Krieg 2.0 muss beendet werden!

Deswegen fordern wir:

Eine Entmilitarisierung der Ostukraine unter Aufsicht der OSZE, die entsprechend finanziell und personell auszustatten ist. Konsequente Umsetzung des Minsker 12-Punkte-Plans, insbesondere auch Abzug der ausländischen Kämpfer auf beiden Seiten; Auflösung rechtsradikaler Milizen auf beiden Seiten

Weiterführung des Dialogs zwischen Kiew und Separatisten unter Moderation der OSZE und russischer Beteiligung („Kontaktgruppe“), um politische Verabredungen und Regelungen für das zukünftige Zusammenleben zu verabreden.

eine neutrale Untersuchung der Scharfschützen-Einsätze auf dem Maidan im Februar 2014 unter Beteiligung des Europarats

freien Zugang der internationalen Ermittler zur Absturzstelle der MH17 durch die Separatisten, die das Gebiet kontrollieren

Zusammenarbeit der ukrainischen Regierung mit den Ermittlern des Abschusses durch Lieferung von Informationen und volle Transparenz

Entfernung rechtsradikaler Minister aus der ukrainischen Regierung

für die Ukraine eine Brückenfunktion, ein umfassendes System der Neutralität, d.h. auch: keine Mitgliedschaft in einem Militärpakt.

Verzicht auf die praktische Umsetzung des Passus im EU-Assoziierungsabkommen zur Einbeziehung der Ukraine in die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (GSVP), insbesondere keine Vertiefung der militärische Kooperation

ein Ende der destabilisierenden Politik des Westens, die NATO immer weiter nach Osten auszudehnen.

sofortige Beendigung des westlichen Wirtschaftskrieges gegen Russland; Aufhebung der Einreiseverbote für russische PolitikerInnen und auch den russischen Journalisten Kisseljow in westliche Länder; auch Russland soll die seinerseits verhängten Sanktionen rückgängig machen und Einreiseverbote für EU-PolitikerInnen wie Rebecca Harms aufheben

die Rücknahme der Aussetzung des KSE-Vertrags durch Russland und die Ratifizierung des 1999 ausgehandelten AKSE-Vertrages durch die NATO-Staaten;

einen neuen „OSZE-Prozess“, um eine Europäische Sicherheitsgemeinschaft, d.h. eine neue Friedensordnung und Friedensstrukturen in Europa zu verabreden und die bisherigen KSZE-Verabredungen aktuell anzupassen

Eine ausgewogenere Berichterstattung deutscher Medien zu Ukraine-Konflikt und Russland, die die berechtigten Beschwerden zahlreicher NutzerInnen, die sich gegen Dämonisierungen der russischen Seite wenden, ernst nimmt.

AntragstellerInnen:

Uli Cremer (KV Hamburg Eimsbüttel), Wilhelm Achelpöhler (KV Münster), René El Saman (KV Bonn), Mareike Wingerath (KV Mettmann), Cornelia Mertens (KV Hamburg Eimsbüttel), Krystyna Grendus (KV Odenwald-Kraichgau), Jürgen Kost (KV Hamburg Eimsbüttel), Olaf Weber (KV Weimar), Oliver Hajunga (KV Darmstadt-Dieburg), Marianne Huerten (KV Rhein-Berg), Horst Schiermeyer (KV Görlitz), Andrea Schwarz (KV Karlsruhe Land), Sebastian Heilmann (KV Lüneburg), Susanne Hoffmann-Maier (KV Darmstadt-Dieburg), Frank Schellenberger (KV Odenwald), Dora Pfeifer-Suger (KV Breisgau-Hochschwarzwald) Martina Lammers (KV Lüchow-Dannenberg), Markus Mezger (KV Esslingen), Peter Wiesner (KV Darmstadt-Dieburg), Ulrich Hemke (KV Stade), Ulrich Chilian, (KV Wiesbaden), Joachim Behncke (KV Steglitz-Zehlendorf Berlin), Christiane Krämer (OV Mühltal, KV Darmstadt-Dieburg), Werner Grimm (KV Darmstadt-Dieburg), Torsten Leveringhaus (KV Darmstadt-Dieburg), Ralf Henze (KV Odenwald-Kraichgau), Uli Bütikofer (KV Speyer), Gerd Klünder (KV Warendorf), Friedel Werner (KV Lippe), Herbert Bohr (KV Wiesbaden), Herbert Julius Schlosser (KV Gießen), Hans Herr (KV Darmstadt-Dieburg), Günter Graewert (KV Darmstadt-Dieburg), Karl-W. Koch (KV Vulkaneifel), Hans Schröder (KV Hamburg-Wandsbek), Janosch Stratemann (KV Bielefeld), Paul-Jürgen Kaiser,(KV Schwalm-Eder), Ruth Birkle (KV Karlsruhe-Land), Ritva Harju (KV Spandau), Karl-Heinz Karch (KV Hamburg-Mitte), Dr. Ingo Lembke (KV Hamburg-Altona), Ufke Cremer (KV Osnabrück-Land), Dierk Helmken (KV Heidelberg), Annemie Dick (KV Schleswig-Flensburg, Sprecherin OV Kappeln), Julia Freiwald (KV Solingen), Friedrich Haubold (KV Ammerland), Irmgard Winkelnkemper (KV Hersfeld-Rotenburg), Michael Hoffmeier (KV Eichsfeld), Björn Langer (KV Rhein-Sieg), David Weis (KV Bonn), Andreas Pangritz (KV Bonn) Frank Diefenbach (KV Odenwald), Norbert Dick (KV Schleswig-Flensburg), Thomas Hovestadt (KV Köln), Erwin Schwach (KV Darmstadt-Dieburg), Lydia Feldhaus (KV Bonn), Jan-Hendrik Blumenthal (KV Wandsbek), Hartmut Rieg (KV Karlsruhe), Dr. Elisabeth Maier-Rieg (KV Karlsruhe), Carlos Echegoyen (KV Bonn), Nikolaus Emmer (KV Hamburg Altona)

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