Neuwiedenthaler Geschichten

Im Einkaufszentrum Neugraben gibt es tatsächlich noch einen richtigen Buchhändler. Ein Buch zur Geschichte von Neugraben oder gar Neuwiedenthal gab es dort nicht zu kaufen. Obwohl der Buchhändler Herbst, der schon vor Jahren schloss, zwei kleine Bände zu Hausbruch und Neugraben herausgab. Es ist, als wenn diese Stadtteile nie eine Geschichte gehabt hätten.

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Dabei begegnet sie einem bei einem kleinen Spaziergang an jeder Ecke. Der Neubau Stadteil Neuwiedenthal wurde durch zwei Buslinien erschlossen. Der 141er startete in Neuwiedenthal und fuhr nach Harburg und der 250er nach Altona. Als die S-Bahn gebaut wurde, wurde der Bahnhof Hausbruch aufgegeben und der neue „Neuwiedenthal“ gebaut. Er liegt mitten im Neubaugebiet und die alte Linienführung des 141er wurde aufgegeben. Beide Linien gibt es aber noch heute.

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Der Schriftzug Bäckerei Kraft Konditorei ist noch zu erahnen. Neben Bäcker Amon in Hausbruch war das eine der ersten Bäckereien, die aufgab. Dort gab es ein gutes und kräftiges Graubrot. Am längsten gab es die Bäckerei Finck, die neben einem ausgezeichneten Berliner Landbrot auch kolossale Rumkugeln verkaufte. Die 50 Pfennig waren schwer zusammen zu kratzen aber wir aßen sie mit großer Freude, zu einer Zeit in der Kalorien nichts bedeuteten.

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Hier war mein Zeitungsaustragsrevier. 750 Süderelbe Wochenblätter wollten für 25 DM jeden Mittwoch verteilt werden. An einem guten Tag konnte man die Tour in 2 1/2 Stunden schaffen und kam damit auf einen Stundenlohn von beachtlichen 10 DM. Das war reiner Selbstbetrug, denn neben der Vorbereitung und der Anfahrt, kamen oft Prospekte hinzu, die doppelte Arbeit machten und man deshalb bisweilen 2x fahren musste. Nachdem ich die Tour aufgab, wurde die gesamte Warteliste auf den Job abgearbeitet und die Tour schließlich neu aufgeteilt.

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4 Jahre lang mußte ich um die gesamte Grundschule Francoper Straße herum laufen, die von diesem Zaun umgeben wird. Irgendwann überstiegen die Reparaturkosten des Zaunes die des Einbaues einer Tür für die Ghettokids, die wir ja waren. Meinen einzigen „blauen“ Brief in meiner Schulzeit bekam ich für das Durchkriechen einer Zaunlücke. Noch heute offenbart diese Tür den Charakter dieses Streites. Eine Einladung, diese Schule zu besuchen, sieht anders aus.

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In den Kellern dieser Häuser wurden in den 70ern wilde und lautstarke Partys gefeiert. Heute ebenso unvorstellbar ist, dass hinter dieser Treppe das kleine Kellerkino „Astralu“ lag. Werner Schütz zeigte dort jeden Sonntag Nachmittag Super 8 Filme. Unbehelligt von Gema und der feuerpolizeilichen Bauaufsicht schummelten sich Kinder, die den Eintrittspreis nicht zahlen konnten, schon mal mit Drohungen an der Kasse vorbei.

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Spielplätze haben keine Namen. Diese Bausünde der 70er wurde „Kleiner Spielplatz“ genannt. Hier erstanden und vergingen ganze Dynastien und auch das ein oder andere Feuer wurde entfacht.

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Der „Große Spielplatz“ ist heute immer noch gut ausgestattet und besucht und glücklicherweise gibt es wie damals eine pädagogische Betreuung. Vom Berg aus starteten wir den Gummimotorflieger „Funny„, der heute unter neuem Namen immer noch zu kaufen ist.

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